Leistungsvererber Pilger – (Tür 3)

Pilger – Port Arthur – Perserfürst – Herbstwind – Carajan – Martin – Sarafan

„Die Linie des des ehemaligen Trakehner Hauptbeschälers und hoch angesehenen Leistungsvererbers Pilger, der auch in russischer Sportpferdezucht einen klingenden Namen besitzt, hat lediglich über den Springpferdevererber Carajan eine gewisse Bedeutung in der Bundesrepublik erlangt, ist jedoch derzeit im Aussterben begriffen. Sarafan war einer der letzten männlichen Vertreter dieser Linie – einer Linie, in der seit ihrer Etablierung im Hauptgestüt Trakehnen immer eine überdurchschnittliche Springveranlagung verankert war! Dies zu wahren und auszubauen haben wir uns vorgenommen.

„Züchten heißt in Generationen denken“ – umd dies tun zu können muss man auch ein wenig in die Geschichte tauchen:

Der braune Vollblüter Monsieur Gabriel xx wurde 1908 als 17jähriger in Frankreich durch die Gestütsverwaltung angekauft; drei- bis sechsjährig wurde er im Rennsport geprüft und war 19 x siegreich und 18 x platziert. Über seine Vererbung in Trakehnen notierte Landstallmeister Graf Sponeck im Hauptbeschälerbuch: „Sein vorzügliches Temperament und die Art sich zu bewegen und zu springen hat er eigentlich immer vererbt.“ Sein wohl bedeutendster Sohn war Coronel, der nach vier Deckzeiten in Trakehnen an das Landgestüt Zwion abgegeben wurde. „Coronel war ein hochtalentiertes Pferd über Hindernisse, ein Erbteil seines Vaters, von dessen Manier, sich zu bewegen und zu springen, er viel geerbt hatte. Fast alle Coronel-Kinder sprangen auffallend gut und willig“, so seine Beurteilung im Hauptbeschälerbuch.

Sein in Zwion gezogener Sohn Luftgott wurde als Hauptbeschäler nach Trakehnen geholt; er vererbte besonders gute Bewegungen. Der Luftgott-Sohn Pilger wurde in Trakehnen aus einer Tempelhüter-Tochter gezogen und wirkte nach seiner Hengstleistungsprüfung in Zwion, die er mit gut bis sehr gut abschloß, von 1929 bis zu seiner Evakuierung 1944 als Hauptbeschäler in Trakehnen. Er war ein mittelgroßer Vererber mit einem tiefen Rumpf, der auf einem soliden Fundament ruhte. Einer seiner bekanntesten Nachkommen im Sport war sicherlich Herder, der als Dressurpferd unter Oberst a. D. Felix Bürkner sehr erfolgreich war. Unter seinen Töchtern sind Liebling (Mutter der Gründerin der Familie T20F Alwina), Bebra (Mutter des in der DDR beliebten Leistungsvererbers Begas/später Markwart) und vor allem Tontaube, die Mutter des Gründerhengstes Totilas, herauszustellen. In Trakehnen wurde Tyrann als bester Pilger-Sohn eingeschätzt; Isola Longa v. Tyrann konnte in Westdeutschland eine bedeutende Stutenfamilie begründen, die u. a. den bedeutenden Sportpferdevererber Ibikus hervorbrachte. Der Tyrann-Sohn Traum wurde Muttervater des von Gottfried Hoogen aus Polen importierten Vererbers Patron. In Russland blüht diese Hengstlinie über den Zweig es Pilger-Sohnes Ossian; bedeutende Vertreter in Zucht und Sport sind Topki, Heops und Biotop.

Einer der letzten Einträge in das Hauptbeschälerbuch Trakehnens ist Port Arthur v. Pilger. Der mächtige Braune hatte viel Format, sein Fundament war solide und trocken. Nach einer guten Hengstleistungsprüfung in Zwion wirkte er als Landbeschäler in Georgenburg, bevor er 1944 evakuiert wurde; wie bei seinem Vater Pilger ist über seinen Verbleib nichts bekannt. Auch die züchterische Bedeutung Port Arthurs fiel wohl dem Krieg zum Opfer, war seine Mutter Porta doch eine hervorragende Tochter des Tempelhüter, die mit Portius v. Ararad und Portwein v. Schachzug zwei weitere Vererber lieferte, die wegen der Kriegswirren zwar wenige Nachkommen hinterließen, aber trotzdem durch Sportlichkeit auffielen: Portius verschlug es in die Tschechoslowakei, wo seine Tochter Gotika den Hengst Quoniam II v. Quoniam brachte. Sowohl er selbst, als auch sein Sohn Quoniam III und dessen Sohn Quintet waren erfolgreiche S-Springpferde in Tschechien. Portwein hingegen wurde bekannt als Vater des international erfolgreichen Vielseitigkeitshengstes Polarstern, der 1952 als sechsjähriger (!) als Reservepferd zur Olympiade nach Helsinki ging, wo er aber aufgrund seines Alters nicht eingesetzt wurde. Er wurde vom schwedischen Staatsgestüt Flyinge angekauft, wo er als Vererber großen Einfluß erlangte.

1941 zog Franz Scharffetter in Hengstenberg den Beschäler Perserfürst v. Port Arthur a.d. Danzig, einer Enkelin seiner berühmten Islamitin. Aus dieser Stutenfamilie stammte neben Löda, dem Vater der Zauberfee, die eine besonders springbetonte Familie in Westdeutschland begründete, auch die legendäre Italia, deren Familie bis heute großen Einfluß auf die Zucht nimmt: Impuls, Ilmengrund und In Flagranti sind nur die bekanntesten Vererber aus dieser Familie. Ein weiterer bedeutender Nachkomme Port Arthurs war die zweifache Hengstmutter Palme, deren Muttervater Damian ein Vollbruder der oben erwähnten Danzig war.

Perserfürst findet sich in den Abstammungen bedeutender Vererber wie Flugsand, Lehndorff’s, Loretto, Amagun oder Unikum, der in Schweden und Dänemark Einfluß nahm; der international mit Kyra Kyrklund im Dressursport erfolgreiche Däne Matador geht im Mannesstamm auf Unikum zurück. Die Matador-Tochter Matadie brachte neben dem Dressur-Shootingstar der WM Aachen 2006, Matiné, mit Ballaseyr Royale ein weiteres Dressurpferd internationalen Formats.

Der Perserfürst-Sohn Herbstwind stammte aus der Herbstzeit, die eine bedeutende Hauptgestüts-Familie gründete, der neben dem international erfolgreichen Dressurpferd Hirtentraum die Siegerhengste Herzensdieb und Herzzauber sowie die Reservesieger Hofrat und Hoftänzer angehören. Als Muttervater von Incitatus, Erzsand und Halali ist Herbstwind in den Pedigrees zahlloser Sportcracks zu finden. Sein einziger gekörter Sohn war Carajan.

Hochgelobt und viel verehrt zu Lebzeiten begann der Sterndes Carajan alsbald zu sinken. Vielen Zuchtverantwortlichen gab der stolze Hengst seinen Kindern zu viel Nerv und Spannung mit. Hier und da trat in seiner Vererbung auch eine geradere Rückenlinie und recht steiles Hinterbein auf. – Insgesamt also Exterieureigenschaften, die häufig mit hochklassiger Springveranlagung gekoppelt sind. Das Hengstbuch 1975 beschreibt die Nachkommen des Beschälers: „Den meisten Nachkommen sind gemeinsam: Stolzer Gesamteindruck, gute Größe in entsprechendem Rahmen, trockenes, sehr korrektes Fundament, einwandfreie Bewegungen, harte Konstitution und feste Gesundheit, Bereitschaft zu allem Dienst, besondere Begabung zum Springen.“ Als Vererber von häufig genialer Springveranlagung sollten Carajan und zahlreiche Angehörige seines Blutes dann auch in die Zuchtgeschichte eingehen.

Bedeutendstes Sportpferd war sicher seine Tochter Biene. Biene kam im Jahre 1964 im saarländischen Trakehnerestüt Grumbach in Schafbrücke zur Welt und wurde im Alter von drei Jahren eingeritten. Bald wurde das große Springpotential der Stute erkannt; auf der Zweibrücker Auktion erstand sie kein geringerer als Springreiter Hugo Simon. 6-jährig feierte die Stute bereits ihren ersten S-Sieg, es folgten viele weitere Siege in großen Springprüfungen bis zur internationalter Ebene. 1972 startete Biene als „Leihpferd“ auf der Olympiade in München unter dem mexikanischen Reiter Eduardo Higaredo Usi, der sie jedoch bedauerlicherweise weit unter ihren Möglichkeiten vorstellte. Die Lebensgewinnsumme dieser Ausnahmestute, die 1970 zum erfolgreichsten Trakehner Sportpferd gekürt wurde belief sich auf 16.666,55 DM – eine stolze Summe in den 60ern und 70ern!

Mit der Birkhausener DLG- Stute Maräne brachte Carajan in Passerpaarung mehrere Vollgeschwister, von denen sich der gekörte Markstein unter dem Namen Magneet in den Niederlanden einen guten Ruf als Vererber schuf. Seine Vollschwestern Marcia, Marissa – DLG-prämiert – und Marmel waren qualitätvolle Stuten, die der von jeher schmalen Familie zur Blüte verhelfen sollte .Eine Hoffnung, die sich jedoch nicht erfüllte: In den letzten Jahren ist der Mora- Maräne- Stamm eher schmal und unbedeutend geworden. Auch Sarafans Vater Martin nahm nur geringen Einfluss und wurde bereits 1977 in die USA abgegeben. Lediglich 5 Töchter sind registriert. Martin stellt sich bei Augenmerk auf die Leistungsvererbung des Pilgers aber als besonders interessant dar, da der Pilgerenkel Perserfürst sowohl als mütterlicher Großvater als auch als väterlicher Urgroßvater zu finden ist!!

Entsprechend seiner Abstammung hat sich Sarafan vor allem als Springvererber hervorgetan, aber auch bis M erfolgreiche Dressurpferde zählen zu seiner kleinen, aber feinen Nachkommenschar.Sarafan mag in seinem Leben ca. 60 Nachkommen haben, 26 davon sind im Turniersport erfasst, 17 davon mit Erfolgen, 9 hiervon in M und S! Diese Tatsache wurde in der Zeitschrift „Der Trakehner“ 03/09 mit dem Artikel „Botschafter der Leistungszucht“ bedacht.

Texte u.a. aus den Hengstportraits Sarafan und Bergamo/ www.trakehnerfreun.de, mit deren freundlicher Genehmigung