Türchen 13 – Hengstleistungsprüfung – Ein Blick auf die Leistung?

Nun ist es amtlich: Der Beirat Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) hat sich mehrheitlich für die Abschaffung der Mindestnote bei Hengstleistungprüfungen ab 2020 ausgesprochen. Zwar bleibt die Teilnahme für die Eintragung die die jeweiligen HB I Hengstbücher Pflicht, aber Durchfaller wird es nicht mehr geben. Das sah im Mai noch ganz anders aus. Aber wie so oft, ist es plötzlich anders. Ne denn….

Dr. Klaus Miesner, Geschäftsführer des FN-Bereichs Zucht, erklärt: „Statt ständig über notwendige Systemveränderungen auf Grund von ‚Durchfallern‘ zu diskutieren, bietet die Möglichkeit zur Abschaffung der Mindestnote nun jedem Zuchtverband die Chance, den Fokus auf die Hengste mit besonders guter Leistung zu legen und diese herauszustellen.“

Das ist gut! Leistungsbewertung ist out! Das machen wir ja in den Schulen auch so. Da sitzen ja in der Theorie auch nur noch Atomphysiker. Zumindest, wenn man den Eltern glaubt. Und wenn nicht, dann sind die Lehrer schuld, weil Malte-Sören ja ein ganz schlauer ist, sich eigentlich unterfordert fühlt und zu den hochbegabten zählt. … Ist zwar ein anderes Thema, aber irgendwie gehört es ja doch ins gleiche Genre. – Im Endergebnis führt es dazu, dass Malte-Sören Abitur macht, aber am ersten Bewerbungsschreiben aufgrund der Fehler scheitert.

Bei den Pferden bedeutet das: Hengst xy – nennen wir ihn „Graupen-Loui“ – taugt selbst wenig und seine Nachkommen noch weniger. Graupen-Loui hat aber volle Decklisten, weil er a) schön ist, b) die Farbe stimmt und er c) dem Hengsthalter gehört, der die besten Videos macht und die leckersten Schnittchen bei der Hengstschau serviert. Und da waren auch mal teuerste Auktionsfohlen…

Damit sind alle Bemühungen von offizieller Seite um den Leistungsanspruch Essig. Diese ganze HLP-Diskussion und die Vorgabe „kein Hengst ungeprüft in den Deckeinsatz“ hatte ja nur einen Grund: Limitierung der Auswirkung von Graupen-Loui. – Zum Wohle der deutschen Pferdezucht. Damit irgendwann aus den ganzen kleinen Individualzuchten, die sich nicht auf Reitpferdezucht, sondern Fohlenvermarktung fokussiert haben, nochmal was im Sport ankommt. Wie oben bei Sören-Malte: Von hinten durch die Brust ins Auge, wäre ja doof, wenn man da offensiv vorgehen müsste….

Aber Geld regiert die Welt und so passiert mit der Hengstleistungsprüfung das Gleiche wie mit der EU-Gurke. Die naturgegebene Krümmung der Gurke ist ungewollt, da sich das gerade Modell besser verpacken, versenden, kurz „vermarkten“ lässt. Und so verkommt die Hengstleistungsprüfung zur Rangierung des deutschen Schaupferdes unter Berücksichtigung existierender wirtschaftlicher Aspekte und nicht zur Überprüfung der Reitpferdequalitäten. Im Trab die 9 bekommt der, der das Vorderbein am höchsten in die Höhe reißt. Der Richter kommentiert etwas von „taktbeflissen“ und man schiebt als Zuschauer die wahrgenommene Ungleichheit noch auf Clip my Horse. Kurz nach „Losgelassenheit“ schaut man sich den eingeklemmten Schweif nochmal in der SloMo an. Die Technik macht es möglich und nein, hier hat man sich tatsächlich nichts eingebildet und auch Clip my Horse war es nicht schuld. Oder hat man da gar eine komplett andere Prüfung gesehen?

Der Zuschauer – als interessierter Pferdesportler mit einer gewissen Sachkenntnis versehen und frei von jeder emotionalen oder materiellen Bindung an die Prüflinge – fühlt sich spätestens dann veralbert, wenn die Kommentierung am Ende der Prüfung sich schon in der Typ- und Gebäudebeschreibung maximal von der Realität weg bewegt.

Seit 2016 zeichnete sich ab, dass das gute Ausbildungspferd, das eigentliche Reitpferd mit den ausgewogenen Grundgangarten, maximal am unteren Ende der notwendigen 7,5 schrabbeln konnte.

Nun fällt die Note weg und das Ganze wird von unseren Funktionären gefeiert mit Worten wie „wenn jetzt keiner mehr durchfallen kann, dann können wir auch endlich reellere Noten geben!“…. – Ganz ehrlich? Schenkt es Euch doch gleich! Denn nun passiert das Gleiche wie zuvor, die Note ist ein Werbemittel und Werbemittel werden in der Industrie budgetiert und eingekauft.

Lasst doch einfach den Sport entscheiden! Das ist besser, reeller und verzichtet auf diese „weichen“ Noten . Es waren die letzten Jahre doch eh alles nur Schmusekätzchen mit Interieur zwischen 7 und 10 – Gott behüte, da hätte es tatsächlich mal die gerechtfertigte 5 oder 6 gegeben. Aber dann wäre ja so oder so der Ausbilder mit seinem mangelnden Einfühlungsvermögen Schuld gewesen….

Isselhook’s First Sight TSF, der amtierende Bundes-Champion der fünfjährigen Vielseitigkeitspferde fiel – nach einem guten Veranlagungstest in 2017 – im Februar 2018 mit einer Bewertung von 7.3 durch seine Sportprüfung Schwerpunkt Dressur I. Im Galopp erhielt der Hengst damsls eine 7.2….. Im gleichen Jahr lief er hocherfolgreich Eigungs- und Dressurpferdeprüfung. 2019 siegte er mit hohen 9er Noten in Warendorf. In einer Prüfung, deren Note vom Galopp bestimmt wird.

Vielleicht ist es tatsächlich gut, dass die Note weg fällt, denn schon bei Betrachten dieses Fotos mag man annehmen, dass der Hengst eigentlich nicht für eine 7 galoppieren kann – oder? Und dann sollte die Bewertung und die Einschätzung tatsächlich dem Züchter überlassen bleiben, ob er in dem Hengst ein potentielles Vatertier zur Verbesserung der Reiteigenschaften seiner Stute sieht. Und allen, die darüber bei der Anpaarung nicht nachdenken, denen ist weder mit der alten noch der neuen HLP-Regelung zu helfen.

Herzlichen Dank an Inge Weißkirchen, die die Bilder Ihres First Sights für dieses Türchen zur Verfügung stellte. An Euch nochmal Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Erfolg!

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