Türchen 20 – 2021 / Der Tierschutz im Pferdesport

Ein ganz schwieriges Thema! Darüber hinaus hat man manches Mal den Eindruck, als gäbe es nur noch schwarz oder weiß und der gesunde Sachverstand ist schon lange über Bord gegangen.

Tierschutz im Pferdesport beginnt bei A, wie „Abreiteplatz“ und endet bei Z, wie „Zuchtschau“ und wird vor allem getragen von H, wie „Hinsehen“ und M, wie „Mund-Aufmachen“, wenn es um Missstände geht. Geht auch schon mal einher mit U, wie „unbequem sein“.

Dazwischen kommen aber alle Buchstaben des Alphabetes, die wir belegen könnten. Heute deshalb nur ein paar:

Nehmen wir beispielsweise B, wie „Balkon-Tierschützer“. Das sind bevorzugt jene, die städtisch wohnen, das gerne auch etwas gehoben und Sonntags rund um die schöne Wahnbachtalsperre wandern, wahlweise mit oder ohne tierischen Begleiter und wenig bis keine Ahnung vom Pferd haben. Die sich dann aber besorgt bis militant zeigen, weil ja Ende Oktober die Weide nicht mehr hoch ist und die (5) Pferde ja da augenscheinlich nix zu fressen hätten (auf 2ha). Außerdem wäre es ja nun regnerisch und kalt. Die Objekte der Besorgnis waren derweil allesamt recht fett und fröhlichen Mutes. Mit der zunehmenden Anzahl der B müssen wir leben und wir müssen sie händeln/ informieren/ aufklären.

K wie „Körung“ oder auch „Kör-Prozedere“. Diese sind aktuell einem Wandel unterworfen und wir finden, das ist auch gut so! Keinen öffentlichen Auftritt in einem Alter von weniger als 30 Monaten. Ziel: In jedem Falle zwei Sommer auf der Weide! Zuvor kann eine Gewöhnung geschehen, hier streiten sich aber schon die Geister, ob das Longieren bereits dazu gehört oder nicht. Angeblich will man die Pferde ja in der natürlichen Bewegung sehen, aber eine gewisse Kondition ist von Nöten, wenn eine Körveranstaltung gut absolviert werden soll. Fitnessgewinn und Konditionsaufbau können aber nicht hinter manch zentrifugalem Hochgeschwindigkeitstraben an der Longe, dass man anlässlich der letzten Körungen beobachten konnte, stehen. Da musste man sich beispielsweise die Frage stellen, ob Hannover keine Amtsveterinäre hat, die da ein Auge drauf werfen? Dieses furchtbare Geschleudere gehört u.E. verboten und gehörte beim Trakehner Verband Gott sei Danke noch nie zum offiziellen Kör-Prozedere!

Darüber hinaus gibt es scheinbar auch Informationsbedarf bei der Art und Länge des Ausbindens! Hilfreiche Handbücher bietet der FN-Fachverlag.

Wenn man sich die Entwicklungsphasen des Skeletts anschaut, sich ein bisschen was mit Kinetik und Biomechanik beschäftigt und sich für das Tier interessiert, dann müssen sich bei manchen Bildern unvermeidbar die Nackenhaare sträuben. Und hier kann man dann aber im im Alphabet entweder zurück auf I für „Ignoranz“ oder aber vor auf M springen und über die teilweise offene „Missachtung“ der Leitlinien von V wie „Vorbereitern“ und Z wie „Züchtern“ referieren.

In 2021 waren viele der Köraspiranten noch keine 30 Monate zum Zeitpunkt ihrer Körung – man gewährte den Verbänden ein Übergangsjahr, damit sich alles neu und gut organisieren ließe. Eine gewisse Sensibilität rund um das von Tierschützern schon missbrauchte Wort „Kinderarbeit“ wäre also dienlich gewesen. Die mediale Verbreitung des – erst im Juni geborenen und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits an der Longe strampelnden – Jünglings, kann man wohl nur unter G wie „geistige Umnachtung“ verbuchen. Vor allem dann, wenn der Jüngling gerade aufgrund seines Alters noch nicht zur Körung zugelassen wurde.

P wie „Presse“ – oder hier im Besonderen Frau „Pochhammer“ vom Sankt Georg, die Ihre Kolumne gleich zweifach nutzte, um Amtsveterinäre zu diskreditieren und deren Anmerkungen ins Lächerliche zu ziehen. Zuletzt wurden einzelne Anmerkungen herausgepickt – die Gesamtheit des Berichts blieb unbekannt. Herr Dr. Wehr nahm Stellung. Das Ganze gipfelt gar darin, dass man in den Holstenhallen – angeblich der Verletzungsgefahr wegen – nur aus Eimern tränken könne….

Also wir haben – allerdings für unseren Wallach – Einhängetröge genutzt. Über Nacht sogar zwei (Stallruhe von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr), damit auch da Wasser zur Verfügung steht. Und damit nix passiert gilt: „Weiß der Bauer keinen Rat, nimmt er Kordel oder Draht“ – also festbinden! Die Dinger gibt es im Übrigen auch bruchsicher und elastisch sowie ohne Haken. Auch in Holstein! Zumindest wenn man dem Versandhandel glaubt….

Und natürlich und selbstverständlich will kein Aussteller, dass dem Pferd etwas geschieht! Das weiß auch jeder (inklusive der Amtsveterinäre)! Dies aber mit „Wer weiß wieviel Zeit, Mühe und Geld es kostet, einen Hengst…“ zu begründen, damit haben Frau Pochhammer und Herr Dr. Wehr vielleicht doch nicht den richtigen Tenor treffen können. Denn weder die Zeit, noch die Mühe, noch das Geld sind in diesem Moment adäquate Gründe. Der einzige Grund, der nämlich interessieren darf und muss, ist das Wohl des Tieres. So sagt es im Übrigen auch das Gesetz.

Dass wiederum ein dreißig Monate alter Springer in der Lage sein sollte, 130 cm zu überwinden, da kann man Herrn Dr. Wehr nur uneingeschränkt zustimmen und das fällt dann unter S wie „Selektion“. Da darf auch mal eine Stange berührt werden.

Wenn aber die Nerven des Hengstes versagen und sich ein gegen den Menschen gerichtetes Verhalten zeigt, dann sollte man sich die Frage stellen, ob die Zucht diesen einen wirklich braucht, anstatt die Gerte Richtung Kopf zu wenden. Uns ist auch klar, dass man in einer solchen Situation auch nicht weiter kommt, wenn es Bachblüten regnet, aber ein „?“ ans System darf man trotzdem machen. Das Wesen gehört nämlich auch in den Selektionsprozess! Hierzu eine kleine Anekdote am Rande: Im Gespräch mit einer Reiterin, die sowohl Trakehner hat, aber auch dem Islandpferd zugetan ist, bekamen wir Folgendes gesagt: „Die Islandpferde verfügen über ein solch gutes Wesen, weil sie gezielt darauf selektiert werden. Wer sich in Island beim ersten Aufsitzen doof verhält, der bekommt noch eine zweite und vielleicht auch noch eine dritte Chance. Danach landet er auf dem Teller.“ – Wäre jetzt vor allem vor Tierschutzhintergrund nicht unsere Art zu selektieren, aber es ist eben auch was Wahres dran. Vielleicht wäre ein kritischerer Umgang mit Wesenszügen nicht zuletzt im weiteren Verlauf auch aktiv praktizierter Tierschutz.

Last but not least W, wie „Wolf“. Hier versagt der Tierschutz in Deutschland vollumfänglich und zwar der Schutz unserer Tiere!! 157 Wolfsrudel, 27 Wolfspaare sowie 19 sesshafte Einzelwölfe sind in Deutschland im Monitoringjahr 2020/2021 nachgewiesen worden. Schätzungen gehen aktuell von ca. 2000 Wölfen unterschiedlichsten Alters in Deutschland aus. Ein Großjäger ohne natürlichen Feind und unter besonderen Schutz stehend. Ein Tier, was in die Wildnis gehört und in einer Kulturlandschaft immer problematisch sein kann. Ein Tier, was in den letzten Jahren unzählige Schafe, Ziegen, Rinder und Ponies verletzt/ gerissen hat. Alleine rund um Bottrop waren es 2021 fünf Ponies. Es ist unter absolut gar keinen Gründen nachzuvollziehen, wieso wir unseren Tieren das artgerechte Leben verwehren müssen, für das solange gekämpft wurde! Licht, Luft Bewegung – so wichtig für das gesunde Erwachsenwerden.

Und auch für die Alten, etwas arthrotischen, ist die dauerhafte Möglichkeit sich zu bewegen wichtig. Aber nein, die Empfehlungen lauten „Einstallen, sobald es dämmert und Wolfszäune bauen“. Wolfszäune, die den Wolf nicht abhalten können, aber dafür alle Wildtiere wie Rehe, Füchse, etc. von unseren Wiesen fern halten – das kann es doch bitte nicht sein! Viel Ricken legen im Frühjahr auf unseren Wiesen ihre Kitze – hier kam noch keines unter den Kreiselmäher! Auch das wäre vorbei nach Wolfszaun.

Ein Tier dominiert das Wohl von allen anderen? Das ist nicht richtig. Und so faszinierend der Wolf ist – als direkten Nachbarn brauchen wir ihn nicht.

Der „B“ vom Anfang sitzt derweil mit seiner Katze auf dem Schoß in Köln auf dem Balkon seiner 100 Quadratmeter Altbauwohnung, hat einen Chai-Latte in der Hand und sagt zu seiner Frau „Agnes, häste ad jehührt? Em Berjische jit et widder Wölf! Is dat dann nit schön! Un die Buure un Päädslück bruche sich nit opzoreje – der wor jo fröher och ad da! …. So oder so ähnlich könnte es lauten 😉

Warum heute dieses Potpourri durchs Alphabet? – Es ist eine ganz einfache Gleichung:

B mag W und misstraut allem, was einer landwirtschaftlichen Nutzung auch nur nahe kommt. Reiten ist generell als kritisch anzusehen. Spätestens seit dem super 5-Kampf-Event. B ist internetaffin und medial bestens aufgestellt. Folgt auf Facebook diversen Tierschutzgruppen. Hat ein Fanabzeichen bei den Wolfsschützern. Wenn B dann auch noch durch P von K, V und Z erfährt, fühlt er sich in seiner wenig guten Meinung zu den „Päädslück“ weiter bestärkt.

Wir haben dann plötzlich nur noch wenig Argumente wenn es um Schutzmaßnahmen vor dem Wolf, gegen eine Pferdesteuer oder um den Erhalt einer Kinderreitschule geht. Eine große Gruppe von Pferdeleuten, die die Leitlinien schon seit Jahren aus tiefster Überzeugung übererfüllen, häufig selbst dem Tierschutz verschieben sind, steht wegen einer kleinen Gruppe am Pranger des Tierschutzes. Ein Pranger, an den sie absolut nicht hingehören!

Nun, Deutschland hat gewählt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist seit 08. Dezember in „Grüner Hand“ und wird von Bundesminister Cem Özdemir geleitet. Davon kann man halten was man will, aber nun ist es höchste Zeit für die Verbände sich entsprechend aufzustellen! Tierschutz muss von innen kommen, denn was passiert wenn er von Außen kommt, haben wir mit dem sch*** Chippen alle erfahren dürfen. Wir hoffen, 2022 bringt uns gute Konzepte.

Last but not least: Ja, wir wissen, dass wir bei B ein Klischee bedient haben und dass es differenzierter betrachtet werden muss. Das gilt aber für alle der genannten „Buchstaben“ – hier handelt es sich aber um ein Adventstürchen, dass Geanken spiegelt, nicht um eine Masterarbeit zum Thema Tierschutz im Pferdsport 😉

2 thoughts on “Türchen 20 – 2021 / Der Tierschutz im Pferdesport”

  1. Liebe Simone,
    ich gratuliere zu diesem didaktischen Meisterstück incl allerfeinstem Unterhaltungswert!
    Ich hoffe, es findet seinen verschlungenen Weg an die Öffentlichkeit und die meinungsbildende Presse, denn genau da gehört es hin.

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