Türchen 13 – Beurteilungskriterien bei Zuchtstuten und Beschälern

AK13

Gravierende Unterschiede gegenüber dem Reitpferd für Gebrauch und Leistung lassen sich hier nicht generell konzipieren. Der Geschlechtscharakter allerdings, das typisch Männliche oder Weibliche soll deutlich und eindeutig ausgeprägt zutage treten. Kein Hengst und keine Zuchtstute kann ,,zuviel Reitpferd‘‘ sein, im Gegenteil: Die Erzeuger von Reit- und Leistungspferden müssen ja selbst besitzen, was sie vererben sollen. Wo anders sollte es herkommen?

Köhler beschreibt, dass die Natur der Männlich- und Weiblichkeit den jeweils zugehörigen individuellen Geschlechtsausdruck verleiht und er beschreibt, dass Individuen mit zu wenig ausgeprägtem Geschlechtsausdruck sich selten gut vererben. So weit so gut, man wünscht sich den Hengst als selbstsicheren Macho im Auftritt, die Stute soll eine wirkliche Lady und Mutter sein. Das mütterliche umfasst noch weit mehr, als der Beurteiler auf einen Blick erfassen kann: Geregelte Rossen, Problemlose Trächtigkeiten, leichte und normale Geburten, gute Milchleistung und liebevolle Fohlenführung.

An dieser Stelle müssen wir dann mal anmerken, dass unsere Belli hier 12 von 10 Punkten verdient und sie gesondert herausstellen!  2014 wird sie im 12. Zuchtjahr stehend das 10. Fohlen bekommen! Lediglich nach dem BabyBeau hat sie sich bei uns mal ein Jahr Pause genommen und das war ihr von Herzen gegönnt!! Und wenn sie wieder eins möchte, so darf sie auch dies wieder haben. Aber irgendwie ist unser Belli wohl einfach gerne Mutter! Sie hat top Rossen, ihre Trächtigkeiten sind problemlos, ihre Geburten vollzieht sie souverän trotz ihrer immer großen Fohlen, Milch gibt sie wie eine Kuh und für ihre Fohlen ist sie die allerbeste Mami. Beim Veterinär trägt sie den Spitznamen „Uhrwerk“. Belle hat alles was eine Stute braucht: Typ – Rahmen – Größe – Substanz. Ja, auch bei ihr sind Fehler zu finden, aber alle ihre positiven Eigenschaften kompensieren das um ein Vielfaches!

Einen weiteren Einwurf in Richtung Typ wollen wir hier auch machen. Der Geschlechtstyp ist erst mit Reife des jungen Pferdes wirklich zu ermitteln. Die Spätreifen haben hier – wie so oft – das Nachsehen. „BabyBelle hat die Trächtigkeit aber richtig gut getan, was hat die sich toll entwickelt!“ bekamen wir unlängst von einer Freundin gesagt. Ja, das ist wohl so. Benotet vierjährig, als Mutter mit Fohlen bei Fuß, im Typ mit einer 8. Obs die auch dreijährig schon gewesen wäre?

Wir wünschen uns bei den Stuten Substanz und Kaliber und Köhler erklärt, das dieser Wunsch viel Gutes in sich hat, solange wir nicht zu Gunsten der Größe Konzessionen machen, die zu Lasten der Reiteignung gehen. Die Reitqualität muss bei allen Entscheidungen der Zucht immer vordringlichstes Ziel bleiben.

Köhler geht am Beispiel von Landstallmeister Lehndorff und der Stute Abfahrt (1923 / v. Pirol a.d. Appam v. Polarfischer), die einen unglücklichen und schweren Einstieg in die Zucht hatte, auf die – neben dem Sachverstand – wichtigste züchterische Tugend ein: Die Geduld.

Der Züchter soll an seine Pferde glauben und an ihnen festhalten und sich verinnerlichen, warum er sich für sie entschieden hat. Nicht alles kann richtig sein – aber eben auch nicht alles falsch! Abfahrt brachte erst achtjährig nach drei Fehlschlägen ihr ersten Fohlen, aber ab da nur noch Top-Pferde – u.A. Sieben Beschäler und drei Mutterstuten für das Hauptgestüt. Eine von Ihnen war Abendluft, die Mutter des legendären Abglanz wurde. 1944 ging Abfahrt 21-jährig in den Wirren des Krieges verloren.

In den „Paarungsfragen“ geht Köhler dann kurz insofern auf den Ausgleich von „Fehlern“ ein, als dass er empfiehlt, in diesem Punkt möglichst unauffällige Partner zu wählen. Sprich, zeheneng nicht meinen mit zehenweit korrigieren zu können, sondern einen ohne Stellungsfehler zu wählen. Aber Köhler wäre nicht Köhler, wenn er nicht bereits hier wieder kritisch ansetzt.

Hier sitzen wir aber zwischen Fehlern oder sogenenannten. Bedeutsamer ist noch die Frage der Erhaltung eines bestimmten Typs, eines zu konservierenden Modells mit bewährten Konstruktionsmerkmalen und zu vervielfachenden Eigenschaften geistiger und körperlicher Art. Anhand von Absatz und seiner Vererbung bringt er das alte Zitat „Blut zu Blut“ aufs Papier und anhand der Trakehnerin Technik, u.a. Mutter des Termit, erläutert er, dass Größe für eine Zuchtstuten viel aber eben doch nicht alles ist:

Technik war eine der allerkleinsten, aber der allerbedeutendsten Mutterstuten der letzten Trakehner Zeit. Ihre Beschreibung im Stutbuch (Band VI): „Vornehme Erscheinung; trocken, gut proportioniert und korrekt in allen Teilen mit betont mütterlichem Ausdruck; trotz nur geringer Größe großrahmig und viel Boden deckend.“ Schon in dieser Beschreibung sieht man deutlich gemacht, wie relativ das rein Größenmaß sein kann. Außerdem wird klar, dass allgemeine Bedeutung und Zuchtwertigkeit unabhängig sein können von einem geringen Höhenmaß, dass Typ und Mütterlichkeit eine ausschlaggebende Rolle spielen können, gleichsam im Sinne einer Karat-Bestimmung. Technik ist nur ein Beispiel für viele dafür, wie abwegig es ist, kleine Zuchtstuten zu verketzern. Es ist richtig, das Größenmaß auch der Zuchtstuten durchschnittlich den Forderungen der Reiterei anzugleichen. Eine Ausschaltung individuell bedeutenden kleiner Stuten oder gar die Festlegung eines Mindestmaßes würde – auch heute – so manche Zuchtperle „vor die Säue“ werfen.

 

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