Köhler beginnt mit dem Springpferd und erläutert, dass es nicht immer die letzte „Pfotenhaltung“ ausmacht, ob ein Pferd zu einem guten Springpferd wird. Manche jungen lassen zur Balance die Vorderbeine hängen – manche tun es aber auch ein Leben lang und siegen trotzdem. (An dieser Stelle, als Randbemerkung: Unsere tun es nie! Siehe oben 😉 )
Manche der vorerwähnten Standard-Gesichtspunkte sind von einer Betrachtung spezieller Wertigkeiten nicht zu trennen. Auch im Bereich des Springsports nicht. … Gerade die härtesten Entscheidungen werden vor allem geistig, natürlich auch körperlich entschieden.
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Passion, gute Nerven, Schaltvermögen, Handlichkeit und Geschicklichkeit sind erste Voraussetzungen für zu spezialisierende Springpferde, deren Springvermögen so ausgeprägt ist, daß es diesen Eigenschaften dienen kann. Wahrscheinlich gibt es mehr Pferde, die ein größeres Springvermögen besitzen, als sie dies durch ausschlaggebendere Faktoren auch nutzen können.
Abdullah beispielsweise sprang niemals in vollendeter Manier, nichts desto trotz siegte er in unzähligen schweren Prüfungen und wurde nicht zuletzt bei Olympia und Weltmeisterschaft Sieger (Mannschaft) und Silbermedaillengewinner (Einzel). Erwähnenswert im „Kontext Köhler“ ist hierbei, das Abdullah zuvor sowohl in Derssur- als auch in Vielseitigkeitsprüfungen bis zur Klasse M erfolgreich war, 18-jährig aus dem Sport verabschiedet wurde und erst im Alter von 30(!!) Jahren starb. Er war lt. The Chronicle of The Horse eines der Top 50 Pferde des Jahrhunderts. Beachtenswert in Zusammenhang mit unserem Thema ist auch, dass er, der Vater von einigem international erfolgreichen Springpferden wurde, erst 15-jährig aufgrund seiner großen Erfolge vom Trakehner Verband gekört wurde…zweieinhalbjährig hätte man ihn wohl eher „stehen gelassen“. Aber wir schweifen ab, zurück zu Köhler!
Es sind eben die Dinge drumherum und innen drin die das erfolgreiche Springpferd ausmachen. Zurückkommen in kniffeligen Distanzen, Repetierfähigkeit und Geschlossenheit sowie der unbedingte Wille, die Hindernisse zu überwinden machen das Springpferd aus. Es muss über schnelle Reflexe verfügen, den Buckel krumm machen können und Übersicht mitbringen. Schon hier verweist Köhler auf die Notwendigkeit des Blutes, worauf in einem späteren Kapitel noch gesondert eingegangen wird.
Es folgt der Wechsel zum Dressurpferd, bei dem Köhler die für den Reiter attraktivsten Kriterien – wenn auch bedauernd – in seiner „Vorausberechenbarkeit sammlungsfähiger Benotungspunkte“. Zumindest war dies wohl 1982 noch so, heute verfügen die Protagonisten der großen Vierecke unserer Meinung nach doch in der Mehrzahl wieder über die faszinierende Ausstrahlung, die Köhler damals noch vermisste. Weiterhin führt er aus:
Ganz sicher, und dies mit voller Berechtigung, gehen die Dressurexperten davon aus, daß sie im Rahmen bedeutende Modelle verlangen, von Haus aus wohltemperiert, losgelassen, durchlässig und besonders reell in den drei Grundgangarten. Sie wissen genau, daß der Trab bei entsprechenden Voraussetzungen verhältnismäßig leicht zu fördern ist, während Schritt und Galopp in ihrer Grundveranlagung kaum Konzessionen erlauben.
Dies dürfte absolute Gültigkeit behalten haben, wobei gerade die Aussage zum Trab doch in Zuchtbeurteilung und dem Turniersport unterer Klassen unserer Meinung nach mit einem Fragezeichen versehen werden darf. Ihm wird mittlerweile zuviel Bedeutung zugemessen, spricht der Richter von Bewegung, spricht er zu häufig leider hauptsächlich vom Trab…
Da aber der Haupt-Augenmerk unserer Zucht nicht beim Dressurpferd liegt, sollen die Ausführungen an dieser Stelle genügen und wir kommen zum Vielseitigkeitspferd, bei welchem Köhler die größten Anforderungen sieht. Er räumt mit der damaligen Vorstellung auf, dass die, die zu heiß fürs Springen oder nicht gut genug für die Dressur wären, ja in den Busch könnten. Dieser Ansatz stimmte 1982 wohl genauso wenig wie heute. Die Krone der Reiterei, braucht die besten Pferde, mit dem besten Interieur! Ein hoher Blutanteil ist zudem gefordert, um Schnelligkeit, Reflexe und Härte mitzugeben.
Bei allem Blut, und gerade deswegen, steht die Frage des Charakters, des Temperaments und des Nervenkostüms hier besonders schwerwiegend zur Debatte. Die Anstrengungen sind so groß und in so vielseitiger Beanspruchung zu leisten, daß der Haushalt der Kräfte von diesen geistigen Werten in höchstem Maße abhängig ist.
In Erfüllung dieser Voraussetzungen bedarf es in der Dressur einer deutlich zwanglosen, geradezu nonchalanten Haltung und klar geregelter, betont losgelassener, rationeller Bewegungen in ausgeprägtem Gehorsam. Ein deutliches Naturell soll die Vorführung unverwechselbar erscheinen lassen.
Rennbahn und Cross erwarten ein ausdauerndes Galoppieren, dessen noch so bodendeckende, schnelle pace allein nicht ausreicht, maximale Gutpunkte zu bringen, wenn nicht Bodengeschicklichkeit, enormes Springvermögen und katzenartige Springgeschicklichkeit zusammen mit sehr viel Herz bei aller Geschwindigkeit Pate stehen. Daß es der Reiter verstehen muß, die gegebenen Kräfte unter Ausschöpfung sich ergebender Möglichkeiten zu rationalisieren, versteht sich von selbst….
Ihre Erfolgsvitalität bezieht sich am wenigsten auf Exterieurbeaus, sondern vielmehr auf innere Werte, außerordentliche Leistungsfähigkeit und optimale Leistungshärte. Mit großen und kleinen Sprunggelenken. Gerade hier galoppiert Konformität vor Formalistik durch die Zielpfosten. – Mit Weile!
Damals wie heute waren diese Top-Pferde rar. Aktuell beklagen die Vielseitigkeitsreiter den mangelnden Nachschub an patenten Buschpferden in Deutschland. Aber wen bitte wundert es? Keinen, der sich mit dem System intensiv auseinandersetzt!
Der Reiter hat es verhältnismäßig leicht: Er pickt sich aus den Vierjährigen die Besten für seinen Sport heraus, den Weg dahin finanziert der Züchter… – Welcher Buschi ist denn heute noch Willens und in der Lage frühzeitig ein patentes Jungpferd zu erkennen und die Risiken der Aufzucht und Ausbildung auf sich zu nehmen?
Der Züchter, der mit viel Idealismus das blutgeprägte Leistungspferd verfolgt, muss nicht nur einen sehr langen Atem haben, bis sein Zögling vier- /fünfjährig die ersten Meriten einfährt (oder eben auch nicht) – nein, er muss ganz nebenher auch noch von ausgesprochener Selbstsicherheit sein, um seinen Weg im eigenen Lager zu verfolgen. Spätestens dann, wenn die ganzen „Fachleute“ kommen um sein Pferd zu richten und um alle „Mängel“ des Blutes „aufzudecken“. Fundamente zu leicht, Gelenke zu wenig ausgeprägt, Kruppen zu gerade, Hälse zu tief angesetzt, zu wenig Substanz … und wie sie sonst noch so daher kommen!
Das System richtet und es richtet sich selbst damit zu Grunde, denn die Züchter gehen (verständlicherweise) auf Nummer sicher: Lieber kein Blut! .. Und weil die Züchter es nicht nutzen, kommen die blutgeprägten Hengste auf den Auktionen preislich meist zu kurz, denn darin investiert kein Hengsthalter. … Und wiederum lernt der Züchter: Blutpferde sind nicht gut verkäuflich. Spätestens an dieser Stelle beißt die Katze sich in den Schwanz….
Ein Patentrezept zur Lösung dieses Problems haben wir auch nicht (dann wären wohl auch schon andere drauf gekommen), außer vielleicht, dass die Zucht ausschließlich sehr reichen Menschen vorbehalten sein muss, die sich diesen Idealismus gönnen können. Aber ob das die alleinige Option sein kann? Aber auf diese Frage hat leider auch Herr Köhler keine Antwort…..
[whohit]Tuer 12[/whohit]