Adventstürchen 13 – 2014 / Sperriemen oder warum jetzt einfach mal Zeit ist, sich aufzuregen!!

Tür13-2014

Man kann darüber streiten, ob es überhaupt einen Sperrriemen braucht. Es gibt ja auch Diskussionen darüber, ob nicht das gebisslose Reiten überhaupt das Beste ist, aber die Frage stellt sich solange nicht, wie wir in Richtung Turniersport und nach den darin vorgegebenen Regeln schauen.

Und da sind wir dann auch schon bei der Vorgabe, wie so ein Sperrriemen an einem Englischen Kombinationsreithalfter verschnallt sein soll.

(LPO § 6.2): «Die Ausrüstung der Pferde und Teilnehmer (…) muss den Regeln der jeweiligen Reit-, Fahr- und Voltigierlehre sowie den Grundsätzen … des Tierschutzes … entsprechen.» Die LPO definiert die Verschnallung des Reithalfters unter «Erlaubte Reithalfter» ähnlich: «Die Kontrolle des korrekt verschnallten Reithalfters erfolgt, indem zwei Finger (eines durchschnittlichen Erwachsenen) zwischen Nasenrücken und Reithalfter Platz finden.»

Der Zaum und besonders das verwendete Reithalfter müssen korrekt verschnallt sein, damit nichts drückt und das Pferd frei atmen kann um den Körper, vor allem bei zusätzlichen Anstrengungen, mit genügend Sauerstoff versorgen zu können.

Zwei Finger eines erwachsenen Menschen sollen zwischen Sperrriemen und Pferdekiefer passen. Zwei!! Liebe Aufsicht am Abreiteplatz, das wäre doch bestimmt mal prima VOR Einreiten in eine Aufgabe nachzuprüfen, oder?

Die Bilder, die wir heute dann in der Berichterstattung zu Hauff präsentiert bekommen, zeigen oft eine ganz andere Verschnallung. Vielleicht würde man sie besser mit Verschnürung beschreiben. Oder mit Zuschnürung. Wir fragen uns dann häufig, was dem Redakteur der Zeitschrift so durch den Kopf geht, dass diese Bilder ganz offensichtlich dem Zeitgeist des Akzeptablen, schlimmer noch der Norm entsprechen. Auf Facebook erhalten diese Portraits dann vier Millionen Likes, genauso wie die der Schenkelgänger… Manchmal kann man gar nicht so viel essen, wie man k***** könnte ….

Und dabei wurde das englisch kombinierte Reithalfter ursprünglich aus einer sehr pferdefreundlichen Idee geboren: Der Sperrriemen wurde oben durch die Schlaufe und jeweils von oben durch das Gebiss gezogen und dann auch wieder oben verschnallt. Es gab keine Führung um den Kiefer. Diese Verschnallung reduzierte den Zug aufs Gebiss, bzw. übte ab einem gewissen Zug auch etwas Druck auf den Nasenrücken aus. Gerade bei jungen Pferden ist dies eine schöne Unterstützung. Und Pferdefreundlich ist es allemal.

Später dann „erfand“ das Militär die heutige Verschnallung: Um bei Stürzen zu verhindern, dass sich die Pferde, durch weit geöffnete Mäuler, den Unterkiefer brachen, wurde ihnen der Unterkiefer mittels Sperrriemen zugeschnürt. Lt. Literatur verringerten sich die Kieferbrüche der damaligen Pferde um ~ 80%.

Zurück in die Neuzeit: Die Gefahr der Kieferbrüche dürfte nun gerade im Dressurviereck gegen Null gehen… Aber hier sieht man die abenteuerlichsten Verschnürungen. Zunächst ordentlich der Nasenriemen zugezogen (Auch hier soll eigentlich ein bisschen Luft zwischen Leder und Pferd sein!!) und dann den Sperrriemen bis zum Anschlag! (Im Übrigen fas immer verkehrt herum, denn auch hier gehört von das Lederendstück nach unten und nicht nach oben – und nur diese Richtungsänderung verändert i.Ü. schon den bei Verschnallung ausgewirkten Hebel.)

Häufigste Begründung für die enge Verschnürung: „Das Pferd sperrt sich gegen das Gebiss“… Nun ja, da sollte sich der Reiter besser wohl nicht nur mal auf die sprichwörtlichen Finger gucken lassen!

Zur weiteren verhehrenden Wirkung des Sperrriemens zitieren wir mal von der Facebook-Seite von Michael Geitner:

[.. Was der Sperrriemen aber sehr deutlich einschränkt und zum Teil auch stark behindert, ist das Abschlucken des Speichels. Wenn nämlich sein Maul zugeschnürt wird, kann das Pferd nicht mehr durch das leichte Öffnen des Mauls den Druck des Trensengebisses auf den Gaumen abmildern. An der Stelle, an der das Trensengebiss gegen den Gaumen drückt, sitzen aber Nervenrezeptoren, die den Schluckreflex unterbinden und den Deckel des Kehlkopfes blockieren. Dadurch entsteht das Einspeicheln des Pferdes, was also in erster Linie ein Zeichen dafür ist, dass das Pferd seinen Speichel nicht abschluckt, aber noch lange kein Hinweis darauf, dass das Pferd korrekt “durch das Genick” geht. Das kann jeder an sich selbst ausprobieren: Wenn man mit einem Löffel an den Gaumen drückt, dann kann man seinen Speichel nicht mehr abschlucken und es entsteht zudem ein Würgereiz…

Neben vielen anderen Funktionen bildet der Speichel einen natürlichen Schutz der Magenschleimhäute des Pferdes. Wir wissen heute, dass etwa die Hälfte aller Pferde im Freizeitsport und sogar 80% der Pferde im Leistungs- und Hochleistungssport unter Magenproblemen leiden. Denn der Speichel erfüllt neben dem rein mechanischen Abtransport des bereits im Maul zerkauten Nahrungsbreis aus der Maulhöhle in den Magen noch eine Reihe weiterer ganz wichtiger Funktionen. Im Speichel befinden sich wichtige Mineralien, vor allem Natriumbikarbonat, das als chemischer “Puffer” eine Übersäuerung des Magens verhindert. Fehlt nun dieser Speichel als Säurepuffer, kommt es schnell zu einer Übersäuerung des Magens. Ist die Magenschleimhaut zum Beispiel durch Stress an manchen Stellen dünner als normalerweise, führt eine Übersäuerung des Mageninhaltes an diesen Stellen zu einem Magengeschwür, da die Magensäure – übrigens fast reine Salzsäure – an diesen Stellen die “Schutzhülle” der Magenwände einfach wegfrisst. Dieses Problem ist NICHT zu unterschätzen, da eine Erkrankung des Magens das Pferd sehr unrittig machen kann, weil es durch Anspannung der Muskulatur immer wieder versucht, den schmerzenden Magen ruhig zu stellen, damit die Magensäure nicht soviel herumschwappt.

Der nächste Punkt gegen den Einsatz des Sperrriemens ist die eingeschränkte Freiheit des Kiefergelenks. Man hat festgestellt, dass, wenn das Kiefergelenk nicht richtig arbeitet bzw. festgeklemmt oder festgehalten wird, die Muskulatur des Kiefers Bewegungsstöße des Körpers, z.B. beim Laufen, nicht mehr abfedern kann. Wenn wir also einen Dauerlauf mit zusammengebissenen Zähnen laufen würde, dann würden wir uns derart die Wirbel der Wirbelsäule prellen, dass wir am Abend nicht mehr wüssten, wie wir uns überhaupt bewegen sollen. Die Pferde müssen das tagaus, tagein erleiden, und die Praxis des Sperrriemens kann Gelenkschäden bis hinunter zu den Fesselgelenken zur Folge haben…]

Zudem verlaufen am Kopf jede Menge empfindliche Nerven…Kurz: Es gehört sich einfach nicht, hier rum zu schnüren!! Das ist unsportlich und unfair!!

Wer unsere Bilder aufmerksam beobachtet hat, der stellt fest, dass es unsere Pferde sobald es ums Reiten und nicht um die Zuchtschau geht, selten mit „normaler“ englischer Zäumung zu sehen gibt. Wir nutzen den ST-Zaum (hier haben wir auch einen als Kappzaum umbauen lassen) oder seit kurzem vor allem für die jungen Pferde auch das Rambo Micklem Multibridle (beinhaltet einen Kappzaumring). Beide Zäume reduzieren aufgrund Ihrer seitlichen Verschnallung des Gebisses den Druck aufs Genick und beide Zäume eignen sich nicht zum Zuschnüren und der Rambo bietet zusätzliche Clips um die, oben beim englischen Reithalfter beschriebene „Druckverteilung auf die Nase“ zu gewährleisten.

Wenn man den Pferdesport und Pferde mag, so ist man auch verpflichtet dieser Zuneigung Rechnung zu tragen und in der Ausbildung wider zu spiegeln. Als Züchter um so mehr. Unfaire Methoden gegenüber dem Pferd sind absolut nicht zu tolerieren!