Reitet man denn wohl lieber lebenslang ein Pferd mit feinem Genick, gut angesetzter Halsung, federnder Rückentätigkeit und einem gut synchronisierten, elastischen Bewegungsablauf, im Vorderbein etwas verstellt, in der Niere ,, matt“ und in der Einschienung nicht ganz vorschriftsmäßig – oder ein Pferd in schnurgerader Stellung und Spur, breit eingeschient, in der Nierenpartie optisch ideal, aber fest im Genick und Rücken und unelastisch mit nur geringem Engagement aus der Hinterhand?
Eine Vollendung gibt es auch beim Pferdegeschöpf nicht. Also muß der Beurteiler vergeben können und lernen, nach Zweckmäßigkeitsgründen richtig abzuwägen. Denken wir also in vernünftigen Prioritäten. Und da gibt es doch nur eins: Das qualitätsvollste Reitpferd gehört nach vorn, das Pferd, welches das beste Reitgefühl verspricht, eine deutliche Leistungseignung, das ,,Glück dieser Erde“ eben, um dessenwillen so viele Menschen reiten, um zu reiten oder auch, um zu siegen.
Mit diesem Kapitel zur Korrektheit befinden wir uns noch immer in der Rubrik Konformität, an dieser Stelle möchten wir aber mal einhaken: Müssen wir Züchter uns hier nicht automatisch die Frage stellen, ob die reine Exterieurkörung heute noch zeitgemäß ist?
Da werden zweijeinhalbjährige an der Hand und freilaufend vorgeführt und dann selektiert – rein nach Materialgesichtspunkten und aktuell gefragten Schönheitsidealen. Ob diese Yougsters halten was sie versprechen, weiß man erst Jahre später – beginnend mit der Eigenleistung, abschließend in der Vererbung und in der Nachkommenleistung. Ob der heute als vielversprechender Youngster vor uns stehende Junghengst mal ein richtig „Großer“ sein wird, wissen wir erst in acht bis zehn Jahren. Ein sogenannter „Spätreifer“ bleibt vielleicht gänzlich „stehen“und fällt durchs Raster.
Wie kann man dann also von Zuchtfortschritt sprechen, wenn wir doch Stand heute noch gar nicht wissen, ob das, was uns jetzt als Fortschritt erscheint, auch tatsächlich einer ist? Wir meinen, man kann es gar nicht! Der Skeptiker mag nun damit um die Ecke kommen, dass es schon in Trakehnen die Exterieurkörung gab. Stimmt! Die gab es. Ebenso wie ausgesprochen anspruchsvolle Leistungsprüfungen für Hengste und Stuten. Ebenso wie kundige Landstallmeister, die gezielt experimentierten (junge Hengste wurden an bewährte Stuten mit sicherer Vererbung angepaart) und – das darf man bei aller historischen Verklärtheit nicht vergessen – die gezielt selektierten! Wer dem Qualitätsanspruch nicht entsprechen konnte, ging aufs Feld, in die Armee – wohin auch immer. Nur die Besten durften in der Zucht bleiben. Über die Vererbungsvor- und Nachteile wurde ohne beschönigende Worte Buch geführt. In vielen Bereichen hatten es die großen Hippologen von damals leichter als die politik-gebeutelten Zuchtleiter von heute. Man stelle sich nur vor, einer der letzteren würde die Nachzucht eines gerade teuer verauktionierten Hengstes mit Worten wie „macht häßliche grobe Krokodile mit kleinen Augen“ bewerten….
Heute hängt der Erfolg oder Misserfolg eines jungen Hengstes vor allem am Marketing der Station. In der Zucht landen oft die Stuten, die unterm Sattel nicht taugen oder nicht halten. Und die Tierliebe führt dazu, dass eben die harte Selektion nicht mehr stattfindet, denn heute müssen glücklicherweise keine Pferde mehr einem Krieg geopfert werden und die wenigsten Züchter sehen wohl im Schlachter einen adäquaten Abnehmer!
Eben diese Faktoren verlangen heute aber von den Züchtern auch besondere Umsicht. Sie tragen nicht nur die Verantwortung für die Qualität der eigenen Zuchtprodukte, sondern darüber hinaus auch für die Qualität der Gesamtpopulation. Bei uns Trakehnern mittlerweile eine sehr überschaubare Zahl… Hierbei darf der Maßstab weder der letzte Hochglanzprospekt, noch das Ergebnis der letzen Fohlenauktion sein!
Zurückkommen zu Köhler wollen wir abschließend noch zur Harmonie, die für ihn stimmen muss, zitieren. Die Gesamterscheinung, die passen muss, macht seiner Deutung nach die Schönheit des Individuums aus:
Schönheit kann eigentlich nicht umstritten gesehen werden. Schönheit hat mit Ebenmaß zu tun, mit Ausdruck und vor allem mit Konturen. Die Art des Ausdrucks (Auge) spiegelt Seele und Geist. So kann auch ein Gesicht schön sein, auch wenn es nicht besonders fein ist.
[whohit]Tuer 7[/whohit]