„Wohin führt der weitere Weg unserer Hauspferde? Nach fast achttausend Jahren, in denen das Pferd dem Menschen seine Kraft zu Verfügung stellte, seinen Expansionsdrang unterstützte, im täglichen Gebrauch ein wertvoller Helfer und bei alle dem ein treuer Begleiter war, hat sich sein Status in der vergleichsweise extrem kurzen Zeit der vergangenen dreißig Jahre radikal geändert. Seine Arbeitskraft wird nicht mehr gebraucht. Als Freizeitpartner ist es der Traum vieler Menschen, der sich aber möglichst kostengünstig und ohne großen Aufwand erfüllen soll.“
Barbara Schulte / Vom Fluchttier zum Designerpferd
Für heute wollten wir uns mit dem Thema „Pferdzucht – Quo vadis?“, bzw. „Trakehner-SF – Quo vadis?“ auseinander setzen und empfehlen dazu auch die Lektüre des Buchs „Vom Fluchttier zum Designerpferd“ von Barbara Schulte (ISBN 978-3-275-01855-0). Barbara Schulte gelingt es die Dinge auf den Punkt zu bringen, sie setzt sich kritisch mit den Themen auseinander und stellt Bezüge zwischen Körperformen, Haltbarkeit, Bewegungspotential und Ausbildung her. Sicher, das Buch polarisiert und man muss vielleicht nicht in allen Punkten zu 100% übereinstimmen, aber im Grundsatz finden wir es so gut und richtig, dass wir hier Passagen übernehmen wollen.
Die Deutschen Pferdezuchten schafften es, sich seit den Siebzigern an die Weltspitze zu setzen. Deutsche Pferde dominierten die internationalen Wettbewerbe, waren ein Exportschlager in die ganze Welt – Deutschland wurde DAS Pferdeland. (Erst seit Beginn des neuen Millenniums verliert Deutschland hier zunehmend an Bedeutung zu Gunsten seiner europäischen Nachbarn, die sich häufig auf der Basis der ursprünglich mal eingeführten deutschen Genetik weiterentwickelten allerdings zum Teil andere Selektionskriterien haben).
Aber zurück zum Export-Schlager Deutsches Pferd!
Auf der Basis der Geschichte entstand die moderne Pferdezucht und man nahm die entsprechenden züchterischen Anpassungen vor. Der Erfolg gab Recht und obwohl das Augenmerk auch weiterhin auf der Qualität von Schritt und Galopp hätte liegen müssen, reduzierte man sich zunehmen auf spektakuläre Trabbewegung. Der Trab ist und bleibt das hippologische „Sex sells!“
Insgesamt wurde, beginnend in den 70ern, der Typ der Pferde verändert, sie wurden leichter und größer. Für den Größenanstieg ist vor allem ein verlängertes Bein verantwortlich, denn die Bewegungen langer, schlanker Beine sehen in Dressurprüfungen attraktiver aus. doch dadurch verschieben sich nicht allein die Proportionen, die dünneren Knochen und Gelenke sind nicht mehr so stabil, müssen aber aufgrund der gestiegenen Größe zwangsläufig ein höheres Gewicht tragen.
Die folgenden Bilder sind in den letzten drei Jahren auf einer Zucht- und auf einer Turnierveranstaltungen entstanden. Das abgebildete Pferd ist in der jeweilig gezeigten Gangart mit Noten „9“ und besser bewertet worden. Um hier keinem aktiv auf den Fuß zu springen, haben wir Clip-Art-Bildchen draus gemacht und wollen die im Buch beschriebenen Problematiken kurz erläutern.
Im Galopp-Bild sehen wir, dass Knie-, Sprung und Fesselgelenk langgezogen sind und so die Wucht des Auffussens nicht abfedern können werden. Die unnatürlich stark durchgedrückten Gelenke werden dabei überlastet, das Hinterbein ist nicht in der Lage die Wucht abzufangen, noch diese auf die Wirbelsäule zu übertragen. Alles geschieht ausschließlich in der Muskulatur des Hinterbeins. Der Rücken ist nicht in die Bewegung involviert.
Diese Bewegungen sehen spektakulär aus, ruinieren das Pferd allerdings, weil die Hinterhand nicht in der Lage ist, die Vorhand zu entlasten. Es geschieht gar das Gegenteil, der Körper wird mit Schwung auf die Vorhand gedrückt und so der Fesselträger überlastet. Das ISG wird extrem belastet, die Lendenwirbelsäule leidet unter der verspannten umliegenen Muskulatur, die Kniebänder leisten Schwerstarbeit.
Gleiches gilt für den „Einfußtrab“ – Auch hier arbeiten Funktionskreise mehr als vorgesehen: Der gesamte Schub wird über nur ein Vorderbein gestützt. An die Berechnungen der Mehrbelastung dürfen sich die ambitionieren Physiker begeben. Uns Pferdeleuten sollte einleuchten, dass dies eines in gar keinem Fall sein kann: Gesund!
Das Bergaufmodell in der Trab-Bewegung. – Bergauf, auf Kosten der hinteren Gliedmaßen! In dieser Phase müssten sich Knie-, Sprung- und Fesselgelenk des stützenden Hinterbeins eigentlich auf einer geraden Linie befinden. Das Knie ist aber weggewinkelt, Sprung und Fesselgelenk sind ebenfalls gewinkelt, als wollten sie das Gewicht abstützen. Nicht verwunderlich, denn bei längerem Vorderbein, muss sich die Hinterhand noch stärker und den Rücken noch mehr anheben als beim „Abwärtsmodell“, damit die Vorhand entlastet wird und leichtfüßig bewegt werden kann.
Zur Erinnerung hier noch mal das Bild des naturgegebenen Abwärtsmodell:
Das moderne Bergaufpferd mit aufsehenerregender Motorik ist nun der aktuelle Verkaufsschlager, allerdings lassen Physik und Erfahrung aus anderen Zuchten erwarten, dass diese Formveränderung, die weder auf Gesundheit noch auf Stabilität zielt, weitere Probleme mit sich bringen wird. Schon heute haben die Chiropraktiker Hochkonjunktur, kaum ein Reitschüler, der nicht schon mal irgendwas vom Fesselträger – und der Tatsache des langwöchigen Schritt-Gehens, wenn dieser gezerrt ist – gehört hat.
Schulte wünscht sich eine Zucht, die andere Schwerpunkte legt. Im Schlusswort geht sie darauf ein, dass ein Pferd – egal in welchem Bereich sein Einsatz geplant ist – über ein stabiles Fundament und einen ausgewogenen Köperbau bei effizienter Motorik verfügen sollte.
„Die effiziente Motorik ist nicht spektakulär, dafür aber harmonisch.“
Die Zucht soll der Tatsache Rechnung tragen, dass die Mehrheit der Reiter Freizeitreiter sind. Die Ansprüche dieser sind primär, einen vielseitigen Freitzeit-Partner zu finden, mit dem sie sich nicht mühen müssen, der lange Ausritte ohne reiterliche Unterstützung in einer guten Tragehaltung absolvieren können, hierbei nicht auf die Vorhand kippen und dadurch durch die Gegend stolpern. Natürlich muss es auch die Überflieger geben.
„Für die gehobenen Dressurlektionen wurden schon immer die höchsten Ansprüche an den Körperbau des Pferdes gestellt. Nur ein perfekt ausbalanciertes Pferd, das über genügend Boden steht, das heißt nicht nur über Reck, sondern auch über eine gewisse Breite in Rumpf und Rücken verfügt, kann diese schweren Anforderungen erfüllen. Es muss den Schub der Hinterahnd in Tragkraft verwandeln können, nur dann ist es versammlungsfähig. Keinesfalls war die Tragkraft durch extremen Schub verloren gehen. Der Raumgriff entsteht durch die Dehnung der Wirbelsäule. Einem dynamischen Rechteckpferd fällt dieses am leichtesten.
[…]
Auch für das Springpferd ist ein gut ausbalancierter Körper mit einem Bergaufgalopp von größter Bedeutung. Nur so kann es im Parcours Schnelligkeit, Wendigkeit und Geschick am Sprung zeigen.
[…]
Wer vielseitig reiten möchte, ob nur zu seinem Vergnügen oder auch in Wettkämpfen, braucht den >>Allrounder<<. Der muss kein Spezialist für eine bestimmte Disziplin sein, aber aufgrund seines guten Fundaments und seiner ausgewogenen Proportionen seinen Körper in jeder Lage beherrschen.“
Zu letzterem stellt Schulte noch einen Punkt heraus: Die Gelassenheit. Diese Pferde sind aufgrund ihres Körpers einfach cooler als die, die einen instabileren Körper haben.
„Ausgeprägte Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit sind oft ein Ausdruck von motorischer Unsicherhit, die von einem instabilen Körper ausgeht. Dies ist für ein Fluchtier höchst alarmierend. Die Ausbildung zunehmend instabiler Pferde muss immer individueller werden und auf die besonderen Probleme des jeweiligen Tieres eingehen.“
Und ausgerechnet die letzte Forderung steht nun auch noch dem zunehmenden Verlust an Qualität bei Ausbildern und Reitern diametral entgegen….
Schulte fordert zu guter Letzt die Organisationen auf, ihre Zuchtziele und Selektionsmethoden ebenso zu überdenken, wie die Käufer, die beginnen sollen, ihre Wünsche einer tiergerechten Realität anzupassen und das vermeintlich „normale“ Pferd mit entsprechenden, die Produktionskosten deckenden Preise zu honorieren.
Denn es ist ja nun ganz einfach so, dass sich die meisten Reiter ein gesundes Pferd, das bis ins hohe Alter leistungsbereit und leistungsfähig sein kann, das mit allerbestem Interieur ausgestattet ist und ebenso in der Lage sein wird die Ansprüche der ländlichen Reiterei zumindest mal bis zur Klasse M zu genügen (eine Klasse, die das Gros der Reiter im Übrigen nie erreichen wird) wünschen. Es wird Zeit diesem Wunsch Rechnung zu tragen und die Produktion solcher Pferde dadurch zu honorieren, dem Züchter für dieses Zuchtprodukt einen Preis zu zahlen, der zumindest mal die Produktionskosten deckt.
Wir haben für uns einen Weg definiert, dessen Ziel ganz klar das gesunde, leistungsstarke Pferd ist. Vielseitig veranlagt mit klarem Schwerpunkt im Springvermögen. Diesen Weg werden wir weiter verfolgen. Wir selektieren unsere Käufer nicht nach dem Portemonnaie, sondern primär nach ihrer Einstellung zum Pferd und haben bislang auch witzigerweise so immer die richtigen Leute finden können. Denen war es tatsächlich wichtig, wo das Pferd her kam. Wie es sich händeln lies. Wie oft es beim Schmied war. Wie das Nervenkostüm beschaffen ist. Wie die Mutter gehalten wird und wie sie aussieht. Wie die Geschwister aussehen. Wie sie sich reiten lassen….. und und und – Klar, ideal wäre dann für uns ein Käufer, der auch das sportliche Potential nutzen will, jemand ambitioniertes mit Pferdeverstand und artgerechter Haltung zu Hause. Da dies nicht immer zusammen zu finden ist, so hat der Pferdeverstand und die artgerechte Haltung Priorität 1. Der Rest ist Draufgabe.
Wenn man mit dieser Ausrichtung und Zielsetzung nicht mehr in der Lage sein wird, Pferde in ein neues Zuhause zu bringen, dann wird der Zeitpunkt gekommen sein, an dem wir es lassen werden. Bislang macht es aber nicht den Anschein und wir schließen mal ganz selbstsicher mit „Qualität ist niemals unmodern!“ 😉
Super geschrieben! Und du hast völlig recht Simone, ich liebe dein Türchen von heute!
Danke nochmal für das schöne Telefonat gestern 🙂
Liebe Grüße,
Maxi
Designerpferd – das ist der passende Begriff. Beim anschauen einiger Körvideos dieses Jahr dachte ich „da werden doch gar keine Pferde mehr gezeigt – das sind Fabelwesen! Hals wie’n Schwan, Beine wie ’ne Giraffe und Mechanik wie’n Springbock! Aber ein Reittier?!“
Schön, das ihr eurem Weg treu bleibt – und sei es auch nur, damit ich hier weiter so informative Beiträge mit Herz und Verstand finden kann! 😉
Anke