In den letzten Tagen haben wir über unsere jungen Pferde und über ihr Anreiten berichtet. Unsere Ergebnisse dürfen wir – sicher mit etwas Stolz – als gar nicht so schlecht bezeichnen. Und ja, natürlich sind wir weit, weit entfernt von einer Qualität und Genialität einer Ingrid Klimke beispielsweise, die uns immer und überall ein überragendes Vorbild ist. Aber jeder macht seins eben so gut wie er kann und mit den passenden Leitlinien versehen, kann es wohl auch ordentlich klappen.
Gehen wir dazu zurück in das Jahr 1937, genauer zur Ausgabe des Ursprungs der Deutschen Reitlehre, der Heeres Dienstvorschrift 12 (H.D.v.12). Hier stand geschrieben, wie Reiter und Pferd auszubilden und zu führen seien und das ganze hatte nur einen Zweck: Die Materialschonung. Das Pferd sollte möglichst lange, möglichst gesund und möglichst effektiv in der Lage sein, seinen Dienst im Heer zu verrichten. Gehorsam und Leistungsfähigkeit hatten den gesamten Augenmerk. Mittel zum Zweck war die planmäßige gymnastische Durchbildung des Körpers und sorgsame Erziehung.
Teil C, die Ausbildung der Pferde , Punkt a) Die Gewöhnung an das Reitergewicht
Die Dressur beginnt mit dem Anreiten, wobei die Leinenarbeit oder freies Bewegen als vorbereitende Hilfsmittel dienen. Die jungen Pferde sollen zunächst ohne Reiter veranlasst werden, die durch die ungewohnte Sattelung hervorgerufene Spannung aufzugeben und sich loszulassen. Sodann muss die Remonte das Gewicht des Reiters tragen lernen, dessen Last an die gesamte Muskulatur des Pferdes eine bisher ungewohnte Anforderung stellt. Besonders haben die Rücken-, Hals- und Bauchmuskeln zu Feststellung der Rückenwirbelbrücke dem Drucke des Reitergewichts entgegenzuwirken.
Für diese Phase des Anreitens sah die H.Dv.12 mindestens vier Wochen vor. In dieser Zeit sollte sich das Pferd ausschließlich mit dem Reitergewicht und allem was drum herum noch so zu erlernen war beschäftigen. An vielen Stellen im Buch wird immer wieder darauf hingewiesen, jede Phase so zu vollenden, dass das Pferd alles gelassen passieren lässt, Lob und Verstärkung mit Futter sind die empfohlenen Mittel.
Und so passiert es auch bei uns. Auf Mirar saßen wir etwas schneller als auf Blümchen, auch reagierte er viel weniger empfindlich auf jedwede Umweltreize. Er akzeptierte den Sattel und das mit der Hand darauf klatschen, schneller als Blümchen. Auch das Aufrichten des Oberkörpers beim Reiter war Blümchen die ersten Male etwas unheimlich. So hieß es immer einen Schritt nach dem Anderen, mit Ungeduld und Husch-Husch ist man unserer Meinung nach gerade in dieser Phase sehr schlecht beraten. Ausbildung braucht Zeit und ebenso wie bei einem Haus, ist es das Fundament, auf das es ankommt.
Und so hüpften wir neben den Pferden auf und ab, „turnten“ am Sattel hoch und runter, Klatschten mit dem Bügelriemen ans Sattelblatt und währenddessen fraß das Blümeli das ein oder andere Kilo Äpfel, bis sie diese Phase des ersten Draufsitzens als normal und in keinster Form beunruhigend empfand. Sie entdeckte in dieser Zeit ihre ganz persönliche Variante von „Alles Gute kommt von oben.“ – Das war eine Zeit, die es sich zu investieren lohnte!