Bel Avion, der schöne Flieger aus 2016, schließt heute die Jahresberichte zu den Bellevue Familienangehörigen. Unser Projekt „Neumünster 2018“ … vielleicht… eventuell … unter Umständen…
Wir haben im letzten Jahr schon berichtet, dass wir ihn ziemlich gut fanden. Gleichmäßig gut. Typvoll, korrekt und dazu das seltene Pedigree. Quasi Outcross. Eine genetische Varianz, die die Trakehnerzucht dringendst bräuchte. Ob es nun unser Flieger sein muss oder eine ähnliche genetische Alternative, sei an der Stelle mal egal.
Der Flieger bringt ein hochsportliches Pedigree mit: Horalas – Abdullah – Verdenas – Carajan – Etjud – Zauberklang – Topki – Ostrjak….. alles drin was entweder selbst im schweren Sport ging oder mit direkten, im schweren Sport erfolgreichen Nachkommen auf sich aufmerksam machte.
Aber nur mal gesetzt dem Falle, der Kerl überzeugt bei der Vorauswahl und darf nach Neumünster – Was dann?
Es beginnt die Geldvernichtungsmaschinerie der Vorbereitung, denn mit einem normal gehändelten Jungpferd braucht man ja heute nicht mehr aufzutauchen. „Pimp my horse“ durch füttern, Training und – so scheint es – ganz viel Wutschen und Wedeln.
Aussehen sollen sie bitte wie sechsjährige und mit einer Selbsthaltung des Grand-Prix Pferdes um die Ecke kommen… Sonst sind sie „was wenig“ oder „nicht genug Hengst“…. Aber das wollen WIR doch bitte gar nicht!
Was ist denn, wenn der Protagonist dann doch nicht gekört wird? Dann hat man einen zweijährigen Bodybuilder im Stall stehen, der wahrscheinlich auch ein bisschen einen an der Waffel hat und dem man erst mal wieder verdeutlichen muss, dass er nicht wie ein Huhn auf der Flucht losschießt, wenn mal wieder einer mit der Peitsche wutscht und wedelt…….
Wir mögen zweijährige, die jugendlich aussehen und auch noch Jungs sind und nicht schon unangemessen auf dicke Hose machen. Das würden sie nämlich auch in einer natürlich gewachsenen Herdenstruktur tunlichst vermeiden! Ein zweijähriger darf doch noch Entwicklungspotential haben, oder?
Ein kleiner Gedanken-Exkurs an der Stelle: Wann genau hat es eigentlich aufgehört, dass man sich im Rahmen von Körungen für die In-Sich-Ruhenden begeistert? Welchen Pferden jubeln die Massen da eigentlich heute zu? – Also, wir mögen unsere Pferde wohlerzogen und respektvoll. In jedem Alter. Wir erinnern uns noch gerne an den Körjahrgang 1994 und seinen Reservesieger Adamello, der sich damals vor allem durch seinen unglaublich abgeklärten Auftritt in unsere Erinnerung brannte. Wenn wir mal in den internationalen Sport denken, an Finckenstein TSF beispielsweise, dann erfährt man von seiner Züchterin, dass ihm in jungen Jahren auch vorgeworfen wurde, zu wenig Hengst zu sein… –
In Neumünster dieses Jahr musste man doch an einige Kandidaten bereits bei der Pflastermusterung am Donnerstag ein Fragezeichen in Bezug auf den Charakter hängen. Hengst hin oder her, das waren zum Teil distanzlose Trampel, freche Säcke. Liegt es daran, dass nur bestimmte Charaktere sich besonders für das Gewutsche und Gewedel eignen? Oder werden die guten Wesenszüge tatsächlich vernachlässigt? Hauptsache es trabt, auch wenn es Dich sonst am liebsten fressen würde?
Legendär die Hengstvorführung in Vechta, bei der eine unserer Olympioniken vom Reittier beinahe ins Bein gebissen wurde. Wieso vergisst der Züchter das? Eine Art Verdrängungsmechanismus? Oder ist es egal, weil die hoffentlich schwarzen Produkte eh als Fohlen verkauft werden sollen und die Milchzähne ja noch nicht so weh tun 😉
Aber zurück zum Thema Körung: Gehen wir in der Theorie also davon aus, Bel Avion würde zugelassen, wir schafften es, eine Vorbereitung auf die Körung im Sinne des Pferdes umzusetzen und er bekäme nach all den Mühen und Investitionen ein positives Körurteil…. Wer wird ihn kaufen? Wie erging es denn den genetischen Alternativen in den letzten Jahren ? – Der Aussteller machte in fast allen Fällen ein dummes Gesicht. Natürlich war ihm die Sympathie des Publikums sicher – „Hip hip hurra“, alle freuen sich, dass der Idealist mit Körung belohnt wurde – nur im Geldbeutel des Idealisten ist es leider meist nicht angekommen…. – So stellt sich also die Frage nach dem „Warum?“ Warum sollte man sich und seinem Pferd das Ganze antun, wenn es sich doch eh nicht lohnt?
Wenn es – und es ist bitter, das zu schreiben – der Verbandsführung offenbar nicht gelingt, Verbindungen zu Hengststationen dahingehend zu nutzen, die genetische Vielfalt zu erhalten UND vor allem die Züchter auch mit Blick auf diese zu beraten, wofür sollte denn dann der „kleine“ Züchter die Kosten und Mühen investieren? Ganz im Gegenteil, man hat ja gerade den Eindruck, alle Beratung ginge auch noch hin zu den modernen Schwarzen, den Fohlenmachern.
Tut man sich selbst und dem Pferd dann nicht den größeren Gefallen, es einfach von vorneherein zu lassen? Den Youngster auf der Wiese zu lassen, ihn dreijährig einzustallen, zu kastrieren und anzureiten? Ihm ein gutes Zuhause zu suchen, ein Zuhause, das seine Wesenszüge und Möglichkeiten schätzt? ….
Der geneigte Leser erkennt, hier sind noch viele Fragezeichen bei uns – Nächstes Jahr im Sommer wissen wir alle mehr 😉
Wie sagt man bei euch? So is et! – Leider!
Ja es ist leider so. Das Problem sind einfach die deutschen Verbände die ja auch mit ihren Marketingmaßnahmen den Markt beeinflussen. Wenn es nur um die pferde ginge wäre es kein Problem. Gekört ist gekört! In der Regel wird ein z.B. AES gekörter Hengst auch in Zangersheide anerkannt. Und schon hat man ordentliche Papiere. Die AES Körung ist wirklich sehr pferdegerecht gewesen. Nur man wollte ja eigentlich etwas anderes, z.B. seine Rasse weiterbringen, züchterische Alternativen anbieten usw.. Das zweite Problem der größte Teil der heutigen Züchter ist natürlich u.a. auch von den Verbänden beeinflusst und bildet sich ein er würde für den Markt züchten. Also bekommt unsere Blutalternative kaum oder gar kein Zuspruch. Ich finde es sehr traurig und bin mir auch sicher es tut den Rassen nicht gut. Habe mich aber auch entschieden meinen gekörten 5 jährigen legen zu lassen. So hat er und sein Reiter einfach mehr Ruhe und können sich auf den Sport konzentrieren.
Wie immer – gelungen auf den Punkt gebracht!