Ende November veröffentlichte die amerikanisch Zeitschrift „The Chronicle of the Horse“ einen Beitrag zum runden Tisch der Vielseitigkeits-Verantwotlichen zum Thema Sicherheit im Vielseitigkeitssport.
Jimmy Wofford, ein hocherfolgreicher Vielseitigkeitsreiter – unter anderem zwanzig Jahre lang Mitglied des USA VS-Kaders, zweifacher Gewinner von olympischem Team-Silber (1968 und 1972 und Gewinner der Einzelbronzemedaille bei der WM in Punchestown 1970 – kommentiert die Frage nach der Sicherheit in Vielseitigkeitsprüfungen wie folgt:
Wenn Sie den Sport sicherer machen wollen, reiten Sie gute Springer. Trainieren sie sie. Nutzen Sie dieses „fünfte Bein“, nutzen Sie diese Unabhängigkeit, entwickeln Sie die Fähigkeit Ihres Pferdes, Ihr Leben zu retten, wenn Sie sich mal vergucken.
Reiten Sie keine schlechten Springer – wir sehen sie. einige der Haupakteure sind die Vier-Sterne-Reiter, weil deren Fähigkeiten ausreichen – zumindest die meiste Zeit. Sie bringen die Pferde passend zum Sprung und das System funktioniert wirklich gut, bis es nicht funktioniert. Dann haben Sie eine andere Statistik. Selektieren sie vor!.
Auf einen weiteren Bericht wollen wir auch verweisen: Kurz nach dem Trakehner Hengstmarkt veröffentlichte unsere Freundin Alexa Bendtfeldt eine „kleine“ Analyse. Alexa ist selbst erfolgreich im Gelände und im Springen bis Klasse S geritten, in der Dressur bis Klasse M. Man sollte meinen, sie weiß schon ein bisschen, wovon sie redet.
Eine Textpassage zu den Leistungsprüfungen 2017 zitieren wir hier gerne:
…, wenn man mit einem der Hengste versuchen sollte einen Standard-Geländekurs der Kl. A zu überstehen. Mit Wasser, Gräben, Zeitvorgabe und FESTEN Hindernissen. Feste Hindernisse heißt, die geben nicht nach, wenn das Springvermögen zu wünschen übrig lässt. Für alle Nicht-Buschreiter: Schon mal mit einem Fahrrad volle Lotte gegen ein festes Hindernis gefahren? Das ist ungefähr vergleichbar, der Aufprall Dank geringerer Geschwindigkeit etwas sanfter und das Fahrrad wiegt auch keine 600kg wenn es auf einen drauffällt.“
Und etwas weiter unten im Text:
… Und Springen müssen Pferde im „neuen“ System der Vielseitigkeit wirklich können! Dort werden feste Hindernisse aus einem sehr hohen Tempo angeritten, der Boden ist naturbelassen, die Sprungfolgen technisch. Z.B. Spung a hoch und weit, zwei Galoppsprünge in der Linkskurve auf Sprung b schmal und weit, Sprung c Ecke zwei Galoppsprünge muss schräg geritten werden, ebenfalls schmal und weit. Da kann es einfach mal passieren, dass man zu einem der Sprünge nicht optimal passend hin kommt. Und was muss dann passieren, damit Pferd und Reiter überleben? Das Pferd muss abspringen und springgewaltig genug sein, um heil darüber zu kommen!
Abschließend kommt Alexa zu einem Schluss, den wir hier auch schon in dem ein oder anderen Türchen der Vorjahre hatten: NOCH kann uns die alte Genetik helfen. Die Abstammung ist und bleibt im wahrsten Sinne des Wortes der SPRINGENDE Punkt!
Nachdem viele der Trakehner Gemeinde geschockt auf den Verlust der genetischen Varianz auf unserem Hengstmarkt gestarrt haben und das Freispringen in weiten Teilen unserer Meinung nach als unterdurchschnittlich einzuschätzen war, liest man nun voll freudigem Erstaunen in einer Pressemitteilung des Trakehner Verbandes, dass ein Maßnahmenpaket für die künftige Ausrichtung der Trakehner Zucht erarbeitet wurde: Die Reinzucht soll auch in Zukunft das Markenimage des Trakehners als Alleinstellungsmerkmal prägen. Die Orientierung am Spitzensport mit Konzentration auf die Trakehner Paradedisziplinen Dressur und Vielseitigkeit wird dabei im Fokus stehen.
Ah ja! Da simmer ja mal gespannt! Da wird doch hoffentlich der genetischen Vielfalt auch ein kleines Augenmerk gegeben? Einen ausführlichen Bericht zum Thema soll es in der Januarausgabe des DER TRAKEHNER geben.
Interessant finden wir so ad hoc vor allem, wie die Ausrichtung in der Vielseitigkeit aussehen soll. Wo sollen denn die Elterntiere noch herkommen? Aus den Selektionen der letzten Jahre wohl eher weniger. Aber wenn sie denn dann da wären, wie will man es denn schaffen, die aktuellen Hürden der Vermarktbarkeit dieser Pferde im jungen Alter zu beseitigen? Sicher, wir hatten es die Tage zuvor, wir behalten unsere Fohlen und machen Reitpferde daraus, aber was ist mit den anderen? Klasse kann nur aus Masse entstehen. Und solange ein solches Ziel „Vielseitigkeitspferde für den Spitzensport“ nicht mit einem klaren Konzept für den Züchter begleitet wird, solange sind alle vollmundig gemachten Formulierungen nichts als Lippenbekenntnisse. Alle Programme sind für die Katz, wenn der Züchter es nicht im Geldbeutel spürt.
Und dieses „spüren“ kann lange auf sich warten lassen, ein solches Konzept ohne großes Startinvest so aus dem Boden zu stampfen, dass es schon in wenigen Jahren Früchte tragen kan, ist eine große Aufgabe für die Verbandsführung!
Masse für die Chance auf Klasse muss das erklärte Ziel sein. Denn eins können wir für unseren kleinen Mikrokosmos nämlich auch vermelden: Ganz unabhängig von irgendwelchen Programmen haben wir nach ordentlichen, gesunden und vielseitigen Pferden mehr Anfragen als das wir sie bedienen könnten. Der Markt ist da, es gilt ihn lediglich zu erobern! 😉
„…Alle Programme sind für die Katz, wenn der Züchter es nicht im Geldbeutel spürt.“
So ist das.
mein Vorschlag:
eine Rappen-Abgabe.
keine Schweizer Rappen.
für jeden gekörten Rappen in NMS zahlt der Aussteller 5.000 Euro in die VielSpi (Unterstützungskasse „Vielseitigkeitspferde für den Spitzensport“).
Für jedes verkaufte Rappfohlen auf einer Trakehner Auktion zahlt der Aussteller 500 Euro in die VielSpi.
Der Verband verwendet die VielSpi Beträge zweckgebunden und ausschliesslich
-für den Ankauf von entsprechenden Fohlen/Jungpferden,
-für die Aufzucht derselben,
-zur Unterbringung entsprechender Jungpferde bei Spitzenreitern (Ausbildungsföderung, die der gemeine Züchter nicht leisten kann).
kein Witz.
kann funktionieren.
(was glaubt der geneigte Leser, wieviel allein das Design der neuen Verbandswebseite kostet?)
Ein sehr richtiges und wichtiges Statement! Habe ebenfalls ziemlich entsetzt geschaut nach der Lektüre der Neuausrichtung des Trakehner Verbandes mit Schwerpunkt Dressur und Vielseitigkeit.
Die Frage „Wo sollen denn die Elterntiere noch herkommen?“ ist genau richtig. Ohne Erhaltung der Spring-Genetik in der Population kann sich dauerhaft kein gutes Vielseitigkeitspferd rekrutieren. Die genetische Veranlagung für Springen ist im hohen Maße erblich bedingt, das muss kultiviert werden. Hier keinen Schwerpunkt mehr zu setzen, ist eine Bankrott-Erklärung an ein Sportpferd, das über Jahrzehnte alle Sparten und vor allem die Vielseitigkeit dominiert hat, wie keine andere Pferderasse.
Bravo Bravo Bravo !
Sabine Brandt, ich hatte ja schon vor Jahren verlangt, dass jeder Züchter, der kein direktes Vollblut einsetzt einen Vollblut-Groschen (100 €) an den jeweiligen Verband bezahlen muss. Damit wird Decktaxe für Züchter die direktes Vollblut einsetzen subventioniert.
Und vielleicht hört das dann auf, dass man wieder alles durchs Gelände jagt, wofür man in seiner Sparte grade kein Geld bekommt.