Die Freuden des Züchters I (Tür 20)

„Über die Freude Züchter zu sein und das Wunder der Geburt“ oder „Jeder stresst sich so gut er kann :-)“

Ist der Hengst dann einmal gewählt, beginnt der nun über ein Jahr andauernde Stress… Termine, Termine, Termine und dann jede Menge Vorbereitungen, Sorgen und Ängste. Und doch: Der Lohn ist unbeschreiblich! Wir stellen am Beispiel unseres Beau Cadeau mal ein solches Züchterjahr vor:

Vor Besamung kontrolliert der Tierarzt den Follikel, besamt kurz vor Ovulation, kontrolliert, ob die Stute tatsächlich ovuliert hat und kontrolliert erneut nach 16-18 Tagen per Ultraschall auf Trächtigkeit. Zum Einen soll die Trächtigkeit erkannt und zum Anderen eine Zwillingsträchtigkeit ausgeschlossen werden. Ist die Stute tragend, ist der Züchter erst einmal glücklich und froh, die zweite Kontrolle durch den Tierarzt erfolgt nach 90 Tagen. Bis dahin hat der Fetus ungefähr die Größe eines Medizinballes erreicht. Bei Bellis Besamung mit Finley M lief dieser gesamte Prozess in Idealmanier ab.

Der Zeitraum zwischen dem fünften und achten Monat ist dadurch gekennzeichnet, dass sich nun die vergrößernde Gebärmutter nach vorne unter die übrigen Baucheingeweide absenkt. Man spricht deshalb auch von dem sogenannten Senkungsstadium.

In jeder Trächtigkeitsphase kann es zu Störungen kommen. In den ersten drei Monaten spricht man von einer Frühresorption, von der rein äußerlich nichts zu erkennen ist, da die Frucht aufgelöst und über den Blutkreislauf abgebaut wird. Bei einer späteren Störung spricht man vom Abort, die noch unfertige Frucht wird abgestoßen. Der größte Teil der Aborte ist auf eine Zwillingsträchtigkeit zurückzuführen, was die oben beschriebene Ultraschall-Kontolle zum frühen Zeitpunkt so wichtig macht.

Das Hauptwachstum des Fetus erfolgt im letzten Drittel der Trächtigkeit. Körperzuwachs bedeutet Eiweißzuwachs sowie Mineralstoff- und Spurenelementzuwachs. Soll die Mutterstute nicht ihre Körperreserven mehr als verträglich angreifen müssen, so ist sie in diesem letzten Drittel der Trächtigkeit sehr anspruchsvoll in Bezug auf Qualität und Quantität an Futtereiweiß sowie der ausreichenden Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. …. Heu und Hafer reichen nicht aus, um einen um ca. 50 % angehobenen Bedarf an Eiweiß abzufangen. Noch dazu fehlen essenzielle Aminosäuren. Ob ein Fohlen später Skelettprobleme haben wird, soll allerdings nach den jüngsten Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zuletzt ausgerechnet in diesen drei Monaten der Trächtigkeit entschieden werden. Entsteht ein Defizit, weil entweder das Futter der Mutterstute defizitär ist oder aber sie dies nicht durch Mobilisierung ihrer eigenen Reserven zugunsten des Embryos abfangen kann, so kommt das Fohlen mit einem mangelhaft belastbaren Skelett auf die Welt, was anschließend gar nicht mehr oder nur mangelhaft wieder ausgeglichen werden kann.

Jetzt beginnt bei uns die fröhliche Zeit der Hexenküche. Pülverchen und Minerale, Luzerne, Hafer, Heu – alles wird liebevoll aufeinander abgestimmt. Zum Wohle der Stuten und ihrer Fohlen, für eine komplikationslose Geburt und beste Vitalwerte der beiden „Hauptakteure“.

Nach gut 300 Tagen Trächtigkeit wird die Überwachungskamera im Stall installiert. Da diese mit dem Internet verbunden ist, haben wir die Möglichkeit, unsere Stuten rund um die Uhr und von überall aus zu beobachten. Ein App fürs iPhone garantiert auch die mobile Kontrolle.

Kurz vor der Geburt bilden sich bei der Stute Ödeme am Unterbauch, in der Eutergegend und an den Hintergliedmaßen. Einige Tage vor der Geburt ist dann eine Schwellung der Scham, bzw. eine Vergrößerung der Schamspalten zu beobachten. Einige Tage bis zu einige Stunden vor der Geburt sind Harztropfen am Euter der Sute zu erkennen und die Stute wird zudem „spitzer“, was am Einsinken der Beckenbänder liegt. Weitere Anzeichen sind Unruhe, mittleres bis starkes Schwitzen des Pferdes, kolikartige Symptome, Einstellen der Futteraufnahme…. – das alles kann, muss aber nicht sein… 😀

Belle ist beispielsweise sehr unauffällig. Gut 24 Stunden vor Niederkunft bilden sich Harztropfen und wenn es dann los geht, ist Belle auch rucki-zucki mit allem fertig. Ohne ein nasses Haar und vor allem auch, ohne auf Frühstück oder ähnliches verzichtet zu haben, brachte sie 2010 Beau Cadeau zur Welt:

Während der Eröffnungswehen findet eine Drehung der Frucht um die Längsachse statt, von der unteren in die obere Stellung, gleichzeitig findet auch eine Streckung von Kopf und Vorderbeinen statt, ebenso wie die Weitung der weichen Geburtswege. Diese ganze Phase dauert ca. 2 – 3 Stunden. Bei älteren Stuten, die schon viele Fohlen hatten wie unsere Belli, verläuft das Eröffnungsstadium eher ruhig und wird häufig übersehen.

Am Morgen von Beau Cadeaus Geburt, frühstückte Belli grad in aller Ruhe und ich – schon im Bürodress – habe die Box noch einmal glatt gezogen. Wir hatten beschlossen Belli drin zu lassen, denn sie hatte am Nachmittag zuvor die ersten Harztropfen gezeigt. Währen sie frühstückte krampfte sie plötzlich unter einer Wehe, die Milch spritzte aus dem Euter – ich nahm meinen „Mutterschaftsurlaub“ für diesen Tag, zog mir das Bürodress aus, das Stalldress an und setzte mich im Haus vor den Überwachungsmonitor.

Der Eröffnungsphase folgt die Austreibungsphase und die eigentliche Geburt des Fohlens. Dies geschah hier nach knapp einer halben Stunde. Mit dem Erscheinen der Allantoisblase, die sich als dünnhäutig, grauweiß – bläulich darstellt, dauert es nun nicht mehr lange. Als nächstes platzt die Allantoisblase und der gelblich wässrige bis schmutzig bräunliche Inhalt fließt ab. Jetzt waren auch schon die noch von der Eihaut überzogenen Gliedmaßen zu sehen, kurz darauf das Mäulchen. – Ein erstes Aufatmen, das Fohlen liegt richtig. Belli hatte sich hingelegt und ich krabbelte zu ihr in die Box, denn Belli hat uns gerne dabei und lässt sich auch gerne etwas helfen. Oksana ist hier im Übrigen ganz anders, sie möchte die Geburt gerne ganz alleine machen.

Mit den nächsten Wehen folgen nun der Hals und die Schulter von Beau Cadeau, letztere ist immer das größte Stück Arbeit für die Stute, hier darf der Züchter ruhig ein wenig unterstützen um den Geburtsvorgang zu erleichtern, so denn die Stute es denn zulässt.

Ist die Schulter erst einmal draußen, so passiert der Rest innerhalb von Sekunden. Die Eihaut platzt meist schon auf, wenn die Schulter draußen ist, sollte dies nicht der Fall sein, so ist es wichtig, diese zu öffnen und sie vor den Atemwegen des Fohlens zu entfernen. Jährlich ersticken zig Fohlen nach der Geburt, weil der Züchter nicht da war um diese Aufgabe zu erledigen. Bei Beau Cadeau lief alles lehrbuchmäßg ab, nach 15 Minuten war der neue Erdenbürger auf der Welt.

Am Rande bemerkt: Pferdegeburten sind Sturzgeburten. Wenn nach Beginn der Austreibungsphase nicht innerhalb von 10 Minuten beide Vorderfüße und das Näschen zu erkennen sind, ist es Zeit für den Anruf beim Tierarzt!

Nach der Austreibung ist die Stute meist etwas erschöpft und bleibt gerne noch ein wenig liegen. In dieser Zeit läuft auch der Rest des Plazentablutes via Nabelschnur ins Fohlen, ein wichtiger Prozess, der nicht unterbrochen werden darf. Die Nabelschnur reißt in der Regel an der dafür vorgesehenen „Sollbruchstelle“ später von selbst. Sollte dies nicht der Fall sein, so kann der Züchter dieses trennen, ca. vier bis sechs Zentimeter unterhalb der Bauchdecke befindet sich eine Einschnürung im Nabel, diese Stelle ist zu wählen und Sauberkeit ist hier allerhöchstes Gebot! Generell ist die Nabel-Desinfektion nach der Sicherstellung freier Atemwege beim Fohlen das wichtigste was der Geburtshelfer tun muss! Bei uns hat sich ein großes Schnapsglas mit Jodlösung bislang bewährt. Hierin findet der Nabelstumpf wunderbar Platz und die Jodlösung erreicht jeden Fitzel Gewebe. Bei Beau Cadeau war auch die Nabeltrennung gemäß Lehrbuch vollzogen und ich habe wie oben beschrieben desinfiziert.

Belli hatte den ersten Kontakt aufgenommen und ihren Sohn mit einem tiefen Brummen begrüßt. Er antworte mit seinem hohen Stimmchen und auch wenn das erste Wiehern wohl mehr den Gemecker eines Zicklein glich, antwortete der komplette Stall mit einem freundlichen „Hallo“. Dieser Moment ist zweifelsohne der glücklichste Moment des Zuchtjahres. Jede Geburt ist ein Wunder der Natur und es ist immer wieder ergreifend.

Belle wendete sich nun ihrem Sohn zu und leckte ihn trocken. Dieser Prozess dient auch der ersten Kontaktaufnahme, aber vor allen um die Atmung und den Kreislauf des Neugeborenen anzuregen. Hier darf der Züchter kurz mit einem Handtuch helfen, aber generell sollte diese Phase Mutter und Kind gehören.

Nach gut zehn Minuten bemühte sich Beau Cadeau erstmalig aufzustehen, um das Euter der Mutter aufzusuchen und das lebenswichtige Kolostrum aufzunehmen. Fohlen werden ohne schützende Immunglobuline geboren und müssen diese in den ersten 24 Stunden über das Kolostrum der Stute aufnehmen. Beau Cadeau machte dies sehr schnell und sehr gut, stellen sich doch erfahrungsgemäß die kleinen Hengstchen etwas dümmer an als die kleinen Stütchen.

Nachdem Beau Cadeau nun in ausreichender Menge getrunken hatte begann er auch bereits das Darmpech abzusetzen. Dies muss nach 24 Stunden vollständig vollzogen sein und auch hier tun sich die Hengstchen häufig schwerer als die Stütchen, was an der Physiologie ihres Beckens liegt. Wir warten da gar nicht darauf, dass sich der kleine Wurm mit so etwas profanem wie Kotabsatz rumärgern muss und helfen kurz nach der Geburt mit einem Klistier nach.

Beau Cadeau setzte auch innerhalb der ersten Stunden den gewünschten harn ab – auch etwas worauf der Züchter achten muss, denn eine verletzte Harnröhre (und das kann bei der Geburt geschehen) können für das Fohlen tödlich sein.

Die Nachgeburt der Stute sollte sich innerhalb von zwei Stunden nach der Geburt lösen, wichtig ist darauf zu achten, dass sie vollständig abgegangen ist. Auch das war vorbildmäßig bei dieser Geburt, innerhalb von 35 Minuten war die Nachgeburt abgegangen und die folgende Kontrolle bestätigte die Komplettheit. Besteht eine Nachgeburtsverhaltung muss unbedingt ein Tierarzt gerufen werden, da durch die Toxinbildung eine erhebliche Gefährdung für die Stute besteht (Geburtsrehe). Nachgeburtsverhalten wird häufig mit einer schlechten Mineralstoffversorgung in der Trächtigkeit in Verbindung gebracht und wirkt sich häufig auch auf die Erfolge der nächsten Befruchtung aus.

Und auch wenn die Züchterformel zu den Zeitpunkten zur Bewertung der Pferde “ 3 Tage – 3 Wochen – 3 Jahre“ lautet, so schaut der Züchter doch direkt nach der Geburt auf das verknitterte Wesen und versucht zu analysieren ob alles gepasst hat. Beau Cadeau hatte ein Knickohr (siehe Foto) und war auch ansonsten wohl ein wenig nach rechts verlegen, nichts was irritieren musste, denn das gab sich nach wenigen Tagen.

Wenn all dies gut vollbracht ist, sollte man Mutter und Kind einige Stunden der Ruhe verschaffen – Zeit für den Züchter sich zurück zu ziehen und vielleicht auch ein Gläschen Sekt zu trinken. Denn schon bald wird der erste Ausflug von Mutter und Kind wieder Zeit in Anspruch nehmen… 😉