Türchen 8 – „Every cloud has a silver lining“ – Oder: Die Katastrophe die zum Win-Win wurde

8Nach dem gestrigen Türchen wollen wir nun ein paar Tage in das Thema Pferde-Ausbildung starten. Zu Einleitung sei zunächst eine Geschichte erzählt. Das englische Sprichwort „Every cloud has a silver lining“ kann man wohl am besten mit „In allem Schlechten liegt das Gute im Ansatz schon verborgen.“ übersetzen. Hier kommt unser Beweis.

Es war ein Sonntagabend im Oktober 2014: Morgenstern, der Grieche und zwei weitere Junghengste standen noch auf der Tag- und Nacht-Weide, als ein Anruf erfolgte: „Milch-LKW… Zaun kaputt, ….Pferde weg, … B56…“ – Das sind Momente, die man niemals erleben möchte. Horrorszenarien machten sich postwendend im Hirn breit – Pferde in Windschutzscheiben, schreckliche Unfälle mit tödlichen Folgen für Mensch und Tier. Ein Albtraum!

An diesem Abend wurde unter Beweis gestellt, dass es zu schaffen ist, direkt aus dem Bett raus im Laufprozess wahllos in irgendwelche Klamotten zu springen, um auf direkter Linie das Haus zu verlassen. Zeit vom Anruf bis zum Haus-verlassen < 30 Sekunden. Die Straße hoch gejagt, dann links abgebogen auf die B56 in Richtung Siegburg. In der ganzen Zeit hielt die eiskalte Angst das Herz fest umklammert. Wieder ein Anruf: Entwarnung, Pferde stehen in einem Vorgarten abseits der Bundesstraße, aufgehalftert sie wurden eingefangen. Gott sei Dank!!

Was war passiert: Das Glück des Dorfmenschen, jeder kennt jeden. Ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr kam die Bundesstraße hoch, erkannte die Pferde, sperrte die Straße ab und trieb sie nach rechts weg in ein kleines Dorf. Da hielten gerade zwei Nachbarinnen einen Schwatz, als auf einmal die eine sagte „Guck, da laufen Pferde!“ – Aus dem eigenen Stall wurden Halfter geholt, die Jungs eingesammelt und in einen Vorgarten verfrachtet. Die Nacht über durften sie dann auch auf einer Weide dort verbleiben, denn unsere Weide verfügte ja über zig Meter über keinen Zaun mehr und mittendrin stand der Tanklaster.

Diese Retter waren Annika (damals 16 Jahre) und ihre Familie, die die Pferde ebenfalls selber am Haus halten. Man traf sich dann nochmal für ein Dankeschön und auf `nen Kaffee. „Familie Annika“ war gerade auf der Suche nach einem neuen Pferd. Das wurde gefunden, 148 cm groß, Pony also – Großpferde waren nicht so das ihrige …. Wir sollten das Pony mal ansehen, trafen uns dann mal zu einem Reitunterricht bei uns auf dem Platz. Feines Pony, aber noch einen Batzen Arbeit vor der Brust!!

Ja, das hätte ja Spaß gemacht und ob sie nicht immer bei uns Unterricht nehmen könnte… Äääääh, eher nein. Nicht wirklich, Zeit usw. usf., aber seine Retter will man ja irgendwie auch nicht vor den Kopf stoßen…. Und so einigten wir uns auf einen Deal: Wir helfen Annika, sie hilft uns mit den Jungen. Eine Hand wäscht die andere und so haben wir es auch dann ab Anfang des Jahres gehalten. Ihr Pony reitet sie mittlerweile solide durch eine A-Dressur und auch kleine Springparcours gehen. Eine silberne Schleife im E-Springen krönte hier den Saisonabschluss. Tolle Fortschritte, wenn man bedenkt, dass zu Beginn des Jahres nur Hans-Guck-in-die Luft in überhöhtem Tempo kreiselte.

Und zum Anreiten von Mirar und Blümchen war die Kombi auch ideal. Keine 50 Kilo, 1,64 groß mit gutem Gefühl für den Takt versehen, immer vorsichtig und absolut positiv zum Pferd. Fehlende Versiertheit wird durch viel Gefühl und Fleiß kompensiert. Unsere Youngsters fanden, und finden es noch immer, toll. Besonders zu Blümchen verbindet Annika eine innige Liebe, eben echte Mädels unter sich.

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Die Angst vor großen Pferden ist ebenso passé. Egal ob es BabyBelle ist mit deutlich über 170 oder Mattes – Annika reitet alles. Mattes hat hierbei die Funktion des lehrenden Professors übernommen. Hier kann man eben mal Seitwärtsgänge probieren, Verstärkung und Versammlung in Trab und Galopp reiten und einfach lernen, wie es geht, um es dann auf den Jungen umzusetzen.

Im neudeutschen nennt man das, was wir hier haben eine Win-Win-Situation. Besser geht es nicht. Und irgendwie können wir bei dem Ergebnis dem Tanklastzugfahrer auch gar nicht mehr so richtig böse sein 😉