Türchen 5 – Mal ein paar Gedanken zum Interieur….

Nachdem wir in den letzten Tagen die M’s hatten, wollen wir heute ein paar Gedanken zum Interieur los werden.

Der Einfachheit halber zitieren wir hier zunächst aus Wikipedia:

Als Interieur bezeichnet man in der Pferdezucht beziehungsweise im Pferdesport typischerweise zugeschriebene psychische Eigenschaften und Verhaltensweisen von Rassepferden. Im Gegensatz dazu werden die physischen Eigenschaften als Exterieur bezeichnet. Interieur und Exterieur dienen somit der Charakterisierung und Einschätzung eines Hauspferdes und sind als Kriterien Bestandteil von Eignungsprüfungen in der Pferdezucht.

Interieur-Eigenschaften: Unter dem Begriff Interieur werden verschiedenste Verhaltens- und Charaktereigenschaften subsumiert. Zu den wichtigsten zählen dabei positive Eigenschaften wie Ausgeglichenheit, Ruhe, Gutmütigkeit, Nervenstärke, Temperament, Aufmerksamkeit, allgemeine Intelligenz, Auffassungsvermögen und Begabung, Sozialverhalten oder negative Eigenschaften wie beispielsweise Angst, Nervosität, Überreaktion oder so genannte Charakterfehler wie Beißen, Scheuen, Schlagen, Sprungverweigerung oder Nichtziehen (Kutschpferde).

Wenn man mal davon ausgeht, dass vom Grundsatz her alle Warmblutzuchten sich gleichende Wesensmerkmale im Zuchtziel verankert haben, dann lohnt sich doch ein Blick auf die öffentlichen (Turnier-)Plätze und auch die Frage „Wo steht die moderne Pferdezucht eigentlich aktuell?“ Inwieweit sind wir – im Sinne von „wir Pferdezüchter im Allgemeinen“ in der Lage diesem Anspruch an ein verlässliches, gutes Interieur gerecht zu werden? – Denn eins haben wir in all den Jahren noch nicht erlebt, dass ein Interessent anrief und sagte, er hätte gerne ein A****loch-Pferd 😉

Sicher, das heutige Titelbild ist schon was Wendy, aber wir wollen die Titel nach Möglichkeit passend zum Thema und aus dem eigenen Archiv befüllen, was würde also besser passen, als Omari und sein Reitfloh, auch wenn mit Kindern liegend im Sand kuscheln kein ausgeschriebenes Zuchtziel ist. 😉 – Dennoch zeigt es immerhin, dass Omari ausgeglichen genug ist und die Ruhe hat, in einer solchen Situation liegen zu bleiben. Zudem ist er gutmütig genug, sich von seinem Menschen knuddeln zu lassen und klug genug zu wissen, dass ihm dabei nichts passiert.

Wenn wir uns eine leistungsorientierte Zucht auf die Fahne schreiben wollen, so muss das Bestreben stets der Spitzensport sein. Schaut man die Springpferdeprüfungen in Warendorf oder Lanaken an, dann kann man nur demütig die Augen nieder schlagen, Heiliger BimBam was laufen da Flugzeuge rum!! Naturgegebene Spitzenspringer, mit Vermögen ohne Ende – sie sind schlicht phänomenal!!!

Als Züchter ist man immer interessiert an Abstammungen, vergleicht, schaut – und guckt selbstverständlich über den Tellerrand des eigenen Tuns. Und so fährt man auch zum Turnier und guckt… und guckt… und guckt … und stellt fest, dass alle nur mit Wasser kochen und auch bei überragenden Flugzeugen eins gilt: „Sie müssen es nicht nur können, sie müssen es auch wollen!“ Da lohnt es sich eben auch immer, nicht nur auf die zu gucken, die mit den Klimkes, Ehnings und Kutschers dieser Erde erfolgreich laufen, sondern auch mit Lieschen Meier und Fritz Schmitz brav und bemüht ihre Runden drehen. – Dass sie nämlich eben dies tun, ist ein Zeichen von gutem Interieur! Dann braucht es auch gar nicht das allerletzte, überragende Vermögen, wenn das Ziel ein gemeinsames ist! Es bringt wenig Freude der Weltmeister des Abreiteplatzes zu sein, wenn im Parcours bei einer bunten Planke die Reise zu Ende ist oder im Dressurviereck die Blume bei C stört… – Auch Themen des Interieurs!

Als negative Eigenschaften werden übertriebene Schreckhaftigkeit / Ängstlichkeit, Nervosität, Überreaktion, dazu die Charakterfehler Beißen und Schlagen oder die simple „Arbeitsverweigerung“ (Sprungverweigerung im Parcours, Nichtziehen vor der Kutsche, Blockieren im Viereck) angesehen.

Nun muss man sich vor Augen führen, dass das soziale Herdentier Pferd eigentlich immer – wenn irgend möglich und wenn es sich körperlich und geistig wohl fühlt – das Richtige tun wollen wird. Das bedeutet nicht, dass es da im Laufe der Ausbildung / Sportlaufbahn nicht auch mal Hürden zu überwinden gilt, aber grundsätzlich sollte man von Kooperationsbereitschaft ausgehen dürfen.

Zunehmend stellt es sich aber auf Turnier- und Körplätzen anders dar!  Da wir Trakehner züchten, wollen wir nur „unseren“ Hengstmarkt heranziehen und Neumünster 2018 lieferte dieses Jahr ein eindrucksvolles Zeugnis! Unserer Meinung nach auch ein linienspezifisches Problem! Wenn alle Nachfahren einer Stute ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, dann zeigt man auf die Mutter. Wenn ein hoher Prozentsatz an Nachfahren eines Vaters / einer bestimmten Hengstlinie ein unerwünschtes Verhalten an den Tag legt, und das auch noch in ähnlichen Mustern – nämlich aktiv gegen den Menschen -, dann macht man es sich unserer Meinung nach zu einfach damit, nach fadenscheinigen Ausreden zu suchen und im Zweifel den Ausbildern / Reitern die Schuld in die Schuhe zu schieben!

Das moderne Bergauf-Pferd mit aufsehenerregender Motorik (und gerne in dunkler Jacke) ist seit Jahren der Verkaufsschlager und ist unserer Meinung nach auch ein Teil der mittlerweile existierenden Interieur-Problematiken. Die Physik dieser Pferde, diese herangezüchtete Formveränderung, die sowohl die Gesundheit als auch die Stabilität völlig aus den Augen verliert, bringt nicht nur direkte gesundheitliche Probleme mit sich.

Ein instabiler Körper ist für das Fluchttier Pferd im höchsten Maße alarmierend! Und die Reaktionen darauf sind unterschiedlich: Reagiert das eine Individuum mit Schreckhaftigkeit und Angst, reagiert das andere Individuum mit Gegenwehr bis hin zum offenen Angriff.  Insofern stimmt es, die Anforderung an die Ausbildung wird in der Tat immer höher, weil auf die individuellen Probleme des jeweiligen Tieres eingegangen werden muss. Eines sollte man aber unserer Meinung nach nicht tun: Ihnen die Chance geben, sich zu Hauff zu vermehren!

Und wenn sie auch für ’ne 12 traben, wir haben in den letzten Jahren nur wenig Reiter kennen gelernt, die an einem solchen Freizeitpartner Spaß hätten. Von Eltern, die ein Pferd für Ihre jugendlichen Kinder suchen mal ganz abgesehen, erfahrungsgemäß bevorzugen diese es, wenn der Sprössling in einem Stück und wohlbehalten aus dem Stall nach Hause kommt.

Der Markt braucht Pferde mit gutem Interieur. Gelassen und ruhig, wach und intelligent, die aufgrund ihrer Coolness gut und schnell lernen und die gerne mit machen wollen. Die sich gerne ausbilden lassen und aufgrund ihrer Konstitution und ihrer Einstellung in der Lage sind, die hohen Klassen zu erreichen.

Deswegen ist und bleibt für uns das Interieur bei der Wahl der Vatertiere einer der wichtigsten Faktoren! Hier gibt es keine „Wenns“ oder „Abers“!

3 thoughts on “Türchen 5 – Mal ein paar Gedanken zum Interieur….”

  1. Super geschrieben, wenn doch nur alle Züchter so verantwortungsvoll bei ihren Zuchtzielen Pferde anpaaren würden!

    Ganz großes Dankeschön !!

  2. Sehr gut! Für 98% aller Reiter, Eltern, Ausbilder richtig… in der Hundezucht übrigends genau das gleiche!!! Das Interieur ist mindestens gleichwertig zum Exterieur!
    Liebe Grüße

Kommentare geschlossen.