Türchen 19 – Das Dingsda mit der Haltbarkeit…

Im kleinen ovalen Fensterchen auf der linken Seite sieht man ein Bild, das vor gut vier Wochen entstanden ist. Das Pferd uner dem Reitfloh ist unsere alte Oksana, die in wenigen Tagen stolze 26 Jahre zählt.

Natürlich gibt es Tage, an denen alles was schwieriger los geht, aber im Grundsatz erfreut sich Oksana blendender Gesundheit trägt einen dicken Ranzen mit sich rum und hat teilweise noch soviel Dampf und Flausen im Kopf, dass sie die fröhliche Stampede über den Rundlauf anführt. Sie erzieht die Fohlen mit hingabe und ist völlig glücksbeseelt seitdem Animo mit ihr wohnen darf! Endlich hat sie wieder ein Kind! 🙂 – Er darf selbstverständlich auch mit ihr aus einem Trog fressen und wird vermutlich bis nächstes Frühjahr ein genauso verzogenes Teil abgeben wie Omari drei Jahre zuvor…. Kurz: Oksana ist trotz ihres Alters das blühende Leben!

Morgenstern, ebenfalls bald 26, bestritt diesen Herbst mal wieder den Sankt Martinszug des örtlichen Kindergartens: Stolz, brav, vital. Und auch er weiß noch die Weide zu rocken, auch wenn es natürlich schon Tage gibt, an denen er langsamer um die Ecke kommt….

Oksana hatte 12 Fohlen – aus 11 Trächtigkeiten 😉 – und Morgenstern hat einige Kilometer und Sprünge auf dem Buckel. Trotzdem ist keiner der beiden durchtrittig oder schwammig im Bein. Keiner von beiden rennt mit einem Senkrücken umher. Harte alte Knochen!

Und was ist heute? – Klar es gibt Berichte, die zeigen „Unsere Pferde werden immer älter“  –  Oksana und Sterni gehören ja auch dazu. Aber sind Studien, die von der verkürzten Nutzungsdauer unserer Sportpferde berichten, die aufhorchen lassen!

Pferde, die vom Alter eigentlich in der Blüte ihres Lebens stehen sollten ausscheiden, weil sie die „Belastung“ nicht aushalten. Und das liegt schon in den Genen und in der Konstruktion….. Was habe ich zu erwarten, von einem Vererber, dessen Mutter aufgrund von immensen Sehenproblemen in relativ jungen Jahren erlöst werden musste, obwohl weder die reiterliche noch züchterische Nutzung einen solchen Verschleiß gerechtfertigt hätte? Was habe ich zu erwarten von Pferden, die zweijährig schon über 170 cm groß sind und auf dünnen Beinchen mit mini Hufen stehen? (Jeder der sich die punktuelle Belastung nicht vorstellen kann, soll sich doch einmal mit einem Pfennigabsatz schwungvoll auf den Fuß treten lassen…)

Das moderne Schreckgespenst der Reiterei heißt mittlerweile Fesselträgerschaden! Und dieser tritt vermehrt bei Pferden auf, die über die gewünschten, überdimensionierten Bewegungsabläufe verfügen. Es sind neben den Seitengängen vor allem die Trabverstärkungen, die die Erkrankung begünstigen. Gepaart mit den heute gewünschten langen Fesselungen ist der vorbereitende Mix perfekt! Die  Pferde, mit kürzerer, steilerer Fessel gelten zwar heute als unmodern und „schwingen“ naturgegeben nicht so schön durch, sind aber mit Blick auf die Sehnenläsionen deutlich stabiler.

Nun können Ausmaß und Ort eines Fesselträgerschadens ganz unterschiedlich ausfallen, vom am Knochen ansetzenden Ursprung bis zu wirklichen Löchern in der Sehne – mit und ohne Gleichbeinbeteiligung – alles ist möglich. Sind letztere mit betroffen sind die Chancen auf Heilung eher als gering einzuschätzen. Dass ein Pferd mit Schaden lahm geht muss nicht sein und auch die Grade der Lahmheit sind ganz unterschiedliche. Diffuse Geschichte.

Zurück zum Problem: Da aber für die spektakulären Bewegungsgranaten das richtig dicke Geld fließt (oder fließen könnte) und zudem am liebsten ja in jungem Fohlenalter verkauft werden soll, werden diese gesundheitlichen Aspekte ignoriert. Um es böse zu formulieren: Es werden wider besseren Wissens Körperbehinderte gezüchtet, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein werden, eine Ausbildung bis in die mittleren, geschweige die schweren Klassen auszuhalten. Und weil heute ja alle ihre Tiere lieben, wird zunächst ein hoher Aufwand betrieben, um sie gesund zu halten und wenn das nicht mehr gelingt, gehen sie in Rente… teilweise mit unter zehn Jahren…. vor dem Hintergrund ist es natürlich auch klar, dass unsere Pferde immer älter werden: Vom Kindergarten in die Rente….Ihre Besitzer hören dann häufig auf zu reiten, weil man sich eben „nur“ ein Pferd leisten kann und so blockieren die früher ach so spektakuären Invaliden den Platz , den sonst ein solides Reitpferd hätte einnehmen können, um seinem Besitzer viel Freude statt Frust zu bescheren. Aberwitzig!

Den Trakehner Verband hatte nun dieses Jahr einen Super-Gau. Der Siegerhengst, der für 320.000 Euro an Burkhart Wahler, vom Klosterhof Medingen verauktioniert wurde, wurde aufgrund eines beidseitigen Fesselträgerschadens vorne reklamiert…..- Nun streiten sich die Geister, ob das Publikum es hätte sehen müssen, ob die Verletzung beim Verlden geschehen ist oder gar in der Zeit von Auktion bis zur Abholung. Fakt ist, dass er Hengst eine Auszeit bekommen muss, mit Sicherheit nicht in den 14 Tage-Test gehen kann, um 2018 zu decken.

Glauben heißt ja bekanntermaßen nicht wissen, aber es fehlt uns in jedem Falle der Glaube an eine spontane, traumatisch bedingte Verletzung. Nicht, wenn es sich so darstellt, wie vom Klosterhof veröffentlicht. Es ist nun das geschehen, was seit Jahren zu erwarten war. So wie beim Gewinde anziehn: Nach ganz fest kommt ganz ab!

Und jetzt ist es bei den Trakehner passiert und wir haben es deswegen hautnah mitbekommen und man fühlt sich schon fast als Nestbeschmutzer das hier nochmal aufzubereiten, aber manchmal ist Schweigen eben nicht Gold und es ist ja kein Einzelfall, dass junge, hochveranlgte Pferde am Bandapparat erkranken. Ausfälle in den Leistungsprüfungen sind immer wieder zu lesen. Wieviele Bundeschampions verschwinden auf nimmer Wiedersehen? Und wieviele Reitpferdechampions laborieren schon an Erkrankungen des Bewegungsapparates?

Wir stellen uns mehr und mehr die Frage, wann die Reiterwelt endlich aufwacht und sich für die Zucht genauso interessiert, wie Hundebesitzer es tun. Da gibt es Kampagnen für gesunde Zuchten, da werden gesundheitliche Benachteiligungen zu Gunsten eines Schönheitsideals klar verurteilt. und mal ehrlich, die meisten der Fifis verbrauchen doch nur Luft und haben null Belastung! Das Pferd soll geritten werden! Was ist denn der spaktakuläre Trab anderes als ein Schönheitsideal? Bequemer zu sitzen ist der weniger aufwändige (was auch den meisten Reitern sehr entgegen kommt) und gesünder ist er auch. Und leichter auszubilden. Und effizienter.

Es ist doch mehr der alberne Wunsch der Reiterwelt, ein Pferd zu haben, was ohne Ausbildung mit einer Bewegung daher kommt, als hätte es die hohen Klassen schon erreicht. Quasi als Abkürzungsalternative zur Ausbildung. Leider funktioniert aber der Organismus Pferd so nicht. Wir hoffen, dass die Reiter als marktbestimmender Faktor irgendwann in der Masse das Ruder rumreißen, bevor wir Pferdezüchter uns gerechtfertigt in einem Atemzug mit der industriellen Landwirtschaft und der Massentierhaltung nennen lassen müssen. Dass der gute Bio-Deutsche auch endlich in den Reitsport Einzug erhält 😉

6 thoughts on “Türchen 19 – Das Dingsda mit der Haltbarkeit…”

  1. Wenn ich mich recht erinnere, hatte eure Oksana nach der Zwillingsgeburt doch auch noch Rehe – um so toller, dass ihr sie wieder fit bekommen habt und sie jetzt das Leben noch so genießt.
    Mein Plüschmonster ist jetzt 25. Auch bei ihr ist die Tagesform unterschiedlich, hin und wieder zwickt es auch deutlich, und gerade jetzt bei dem nasskalten Wetter dauert es eben länger, bis es schwingt. Aber wenn der Gang drin ist ist er drin. Und ich halte regelmäßig die Luft an, wenn sie im Freilaufen ausprobiert, wie weit man auf 40 Metern beschleunigen kann, wenn man danach die Kurve kriegen muss.

  2. Schön geschrieben. Gestern tobte Oksanas Drittgeborener (?) wie blöd an der Longe um mich herum. Wir haben der Strahlbeinzyste hoffentlich endgültig ein Schnippchen geschlagen und er machte es seiner Mama nach. Gesunde Pferde, das streben wir doch alle an.

  3. Das bei Rimondo dürfte nicht stimmen. Die Tambour ist zumindest nicht im Zuchtblatt eingetragen 😉 es sind 12 fohlen aus 11 Trächtigkeiten – aber immer noch krass 😉

  4. „Da aber für die spektakulären Bewegungsgranaten das richtig dicke Geld fließt (oder fließen könnte) und zudem am liebsten ja in jungem Fohlenalter verkauft werden soll, werden diese gesundheitlichen Aspekte ignoriert.“

    Ein ansonsten guter Text, aber an dieser Stelle dachte ich: Halt, ganz so einfach ist es nicht! Trotz aller Vehemenz, mit der diese These im Internet Verbreitung fand, stimmt sie nicht. Wenn der Zusammenhang zwischen Bewegung und Gesundheit so einfach wäre, müsste man das Pferd als eine ziemliche Fehlkonstruktion bezeichnen. Schade, dass umfassend recherchierte Fakten in diese öffentliche Debatte zumeist nicht einfließen. Denn der „Einbeintrab“ existiert schon immer und dies aus gutem Grund. Wer das Phänomen wirklich im Detail verstehen will, der sollte mal hier reinschauen: http://blog.hippothesen.de/einbeintrab/

  5. Hallo Iris,

    vielen Dank für Dein Statement, habe Dein Buch schon mit Interesse entdeckt und werde bei Gelegenheit auch mal da rein sehen – ich würde aber auch von mir behaupten, ich hätte sonst dazu auch so ziemlich alles gelesen 😉 In der Tat empfinde ich viele der hypermodernen als Fehlkonstruktion – sichtbar immer dann wenn aus dem strahlenden Handpferd ein nicht mehr ganz so strahlendes Reitpferd wird, was in Folge dann auch Probleme hat, Tragkraft zu entwickeln…. Aber das ist ein so großes Thema, will man den gesamten Funktionskreis analysieren, dann sprengen wir den Rahmen unserer Türchen. Die Meinung „je spektakulärer die Bewegung, desto eher die Erkrankung des Bewegungsapparates“ wird ja von vielen Kliniken ebenso vertreten, so dass wir das hier mal mit aufgenommen haben.
    VG Simone

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