Türchen 18 – Kritische Gedanken zur Hengstkörung

Mit den neuen Tierschutzleitlinien kam ein neuer Körtermin: Anfang Dezember. Und somit tatsächlich das erste Mal, dass es für uns akzeptabel wurde, einen Aspiranten aus unserem Stall auf die Körung vorzubereiten, denn nun konnte unserer zweijähriger den Sommer auf der Weide verbringen. So wie es sein sollte. Wir haben von jeher gesagt, dass wir aus unserem Herzen keine Mördergrube machen werden und nicht entgegen unserer Überzeugung handeln werden. Ein junges Pferd gehört für uns auf die Weide. Punkt. Ob das nun 24/7 sein muss oder am Haus mit „morgens-rein“ und „abends-raus“, das ist etwas, was jeder für seinen Standort passend entscheiden muss.

Im letzten Jahr hatten wir uns schon mal mit dem Tierschutz auseinandergesetzt. Da haben wir das ganze Thema noch ein bisschen humorig aufbereitet .In diesem Jahr hatten wir erwartet angepasste Körungen zu sehen.

Beginnen wir mit unserer – also der Trakehner – Körung Anfang Dezember. Tierschutztechnisch bekamen wir eine gute Presse. Die Amtsveterinäre waren motiviert, zwei top Pferdetierärzte aus den eigenen Reihen standen zwecks Kommunikation parat.

Und dann guckt man in andere Richtungen. Sozusagen über den Tellerrand. Und sorry Leute, aber was in Verden und Münster geboten wurde, das geht überhaupt gar nicht!!

Leitlinien – was heißt das überhaupt? Die einen sprechen von einer Empfehlung, so solle es quasi sein. Im Ideal. Gewünscht. Sozusagen. Für die anderen ist es quasi Gesetz. Was ist es denn also überhaupt?

Es ist genau das, was es sagt. Ein Leitfaden. Ein Regelwerk. Und sollte es jemals zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, so ist dieses Regelwerk das, auf das sich jeder Sachverständige beziehen wird. Juristen empfehlen die dringende Einhaltung des Regelwerkes.

Zu den Leitlinien hinzu kommt noch der Ergebnisvermerk vom 15. Dezember 2021 zur Videokonferenz mit Vertretern der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), der Zuchtverbände und der Länder zu Anforderungen im Rahmen der Vorbereitung von Hengsten auf die Körung sowie der Körung selbst.

Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Klärung folgender Fragestellung:
Welche Anforderungen, die an die Hengste im Rahmen der Vorbereitung auf die Körung und der Körung gestellt werden, sind als zielgerichtete Ausbildung zum vorgesehenen Nutzungszweck im Sinne der Leitlinien Tierschutz im Pferdesport einzustufen?

Gesprächsergebnis:
Der Beginn der Ausbildung sowie Umfang und Intensität der Belastungen der Hengste durch die einzelnen Ausbildungsschritte muss sich an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Pferdes und seinem Leistungsvermögen orientieren. Die Pferde dürfen weder physisch noch psychisch überfordert werden.

Und so weiter und so fort….

Im Weiteren

2. Die Zuchtverbände wirken darauf hin, dass die Hengste zum Zeitpunkt der Körung ein Mindestalter von 30 Lebensmonaten aufweisen. Diese Altersgrenze gilt nicht für die Vorauswahlen zur Körung, solange keine zielgerichtete Ausbildung der Hengste für den vorgesehenen Nutzungszweck erfolgt.

3. Die Zuchtverbände stellen mit Hilfe einer schriftlichen Eigenerklärung der Hengsteigentümer und der Hengstvorbereitungsställe sicher, dass im Vorfeld der Körungen keine zielgerichtete Ausbildung der Hengste für den vorgesehenen Nutzungszweck stattfindet. In diesem Fall kann mit den Vorbereitungen auf die Körung grundsätzlich auch mit einem Mindestalter von unter 30 Lebensmonaten begonnen werden.

Und dann sieht man Verden. Oder Münster! Und denkt sich WTF***??!! Und dann hört man von Videos von Hengsten unter dem Sattel – vor der Körung. und man denk wieder WTF***!! Und dann gibt es von den Verbandsoberen nach Diskussionen im Netzt eine Stellungnahme zum TÜV, aber nicht zum Reitvideo. Was ist denn bitte da los? – Nur noch mal zur Erinnerung: Die Zuchtverbände stellen sicher, dass im Vorfeld der Körungen keine zielgerichtete Ausbildung der Hengste für den vorgesehenen Nutzungszweck stattfindet. Was bitte ist denn das Reiten eines Hengstes anderes?

Wie kann es sein, dass auf den Körungen relativ eng ausgebunden longiert wird, obwohl es doch im Training untersagt wird?

Und dann kommt ausgerechnet ein Adlatus des allseits bekannten Dänen und fordert eine spätere Körung. Nee is klar! Glaubt jeder sofort, dass es da ums Pferdewohl geht… Nachdem eben jene Partei seit Jahren den bestehenden Spektakel mit befeuert. Wenn da eine spätere Körung gewünscht wäre – könnte er ja einfach eine kaufen. Hat ja bei den Onlinemedien auch schon gut funktioniert…..

Wieder Scherz beiseite! Wir finden schon, dass es unbedingt Sinn ergibt, sich die Hengste anzusehen, wenn sie noch nicht „gemacht“ sind. Denn das „gemachte“ vererbt sich nun einmal nicht.

Wir erkennen natürlich auch den Spagat zwischen Zucht und Vermarktung, die die Verbände tätigen müssen. Aber Ignoranz der Zeichen der Zeit kann auch nicht nicht richtige Lösung sein.

Der Dezember Körtermin ist hier eine denkbare Variante, aber zu diesem Termin müssen wir dann eben auch bereit sein, sehr jugendliche Hengste zu sehen.

Eigentlich empfiehlt sich ein Termin im Februar. So wären die Hengste sicher ALLLE!! bis Ende September auf der Weide. Auch später geborene Kandidaten hätten die Chance am jährlichen Groß-Event teilzunehmen und die möglichen Meriten zu sammeln. Es gibt nämlich eben nur einen Sieger, einen besten Halbblüter und ein bestes Springpferd, dass im Jahr geehrt wird. Man könnte beides haben – die Beachtung aller Leitlinien und die Teilnahme an der Hauptkörung.

Und wir finden, dass wir Pferdeleute in unserer Selbstgefälligkeit eines nicht vergessen sollten: Die in den Leitlinien formulierten 30 Monate stellen bereits einen Kompromiss dar, der nur eine eingeschränkte Zustimmung durch die beteiligten Tierschutzverbände, der Landestierschutzbeauftragten und der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer und der Vertreter zweier Bundesländer erfahren hatte.

Damit wir auch in Zukunft mit bestimmen können, was wir wie machen, müssen Tierschutzthemen aus der Gemeinschaft heraus entstehen und umgesetzt werden. Andernfalls nehmen uns das in nicht allzu ferner Zukunft Leute ab, die vom Pferd ggfs. nur wenig Ahnung haben.