Adventstürchen 21 – 2014 / Was den Pferdezüchter so bewegt….

Tür21-2014

Spätestens die letzten vier Tage sollten verdeutlicht haben, dass uns die Gesundheit unserer Zuchtprodukte und die damit in Zusammenhang stehende Haltbarkeit ausgesprochen am Herzen liegt. Dies hat etwas mit der Verantwortung zu tun, die man für das „produzierte“ Leben übernimmt.

Wir züchten Trakehner. Die Rasse, die zuallererst auf Reiteigenschaft selektiert wurde. Die Rasse, die Vorreiter für organisierte Leistungsprüfungen war, denn Trakehnen führte schon 1890 das erste Hengstprüfungsrennen durch. Knapp vierzig Jahre später wurde 1936 in Zwion die erste HLP-Anstalt in Deutschland errichtet. Trakehner Junghengste wurden dort zweieinhalbjährig aufgestellt, im Laufe eines Jahres angeritten, eingefahren und erhielten ein intensives Ausdauertraining im Gelände. Zum Abschluss legten sie dreieinhalbjährig eine dreitägige Geländeprüfung ab, bei der insgesamt 63 km mit 30 Hindernissen zu überwinden waren. Darüber hinaus wurden ihre Grundgangarten beurteilt sowie ihre Eignung als Zug – und Fahrpferde getestet. Sie mussten nicht nur einspännig im Trainierkarren gehen, sondern sich auch im Zweier- und Vierergespann bewähren.

Gleiches galt für die Trakehner Stuten, die meist in den Betrieben ihrer Eigentümer neben der Fohlenaufzucht täglich harte Arbeit auf dem Feld leisten mussten Die SLP umfasste ein vier Stunden langes zweispänniges Pflügen, anschließend das Ziehen von 25 Zentnern über 25 Kilometer bei einer Mindestgeschwindigkeit von elf Stundenkilometern und dann noch eine dreißigminütige Reitprüfung mit Mindestleistung über zwei Kilometer in Schritt, Trab und Galopp.

Hier wurde ein Leistungspferd gezüchtet und selektiert!!! – Dies ist knapp 100 Jahre her, die Hengste wurden auch in der Zwischenzeit weiter geprüft, die Stutenprüfung aber wurde nach dem zweiten Weltkrieg zum Teil vernachlässigt, erst in den 70ern wurden freiwillige SLPs bundesweit durchgeführt. Nun darf man argumentieren, dass die, die 1945 im Westen angekommen sind, ihre Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu genüge und für ganze Generationen bewiesen haben.

Das war also vor gut 70 Jahren. Verändert hat sich die Zucht erst stark ab den 70ern. Unserer Einschätzung nach, wurde es allerdings erst mit den „holländischen Modellen“ Ende der 90er / Anfang des Millenniums dann wirklich extrem.

Generationsintervall

Die obenstehende Grafik (Quelle: Zuchtwertschätzung Deutsches Sportpferd/ Schriftenreihe des LfULG, Heft 15/2011 | 38) zeigt die Entwicklung des durchschnittlichen Generationsintervalls in Abhängigkeit vom Geburtsjahr der Väter bzw. Mütter auf den Genpfaden Vater – Tochter und Mutter – Tochter beim Deutschen Sportpferd.

Das Generationsintervall ist durch das mittlere Alter der Eltern bei der Geburt der sie ersetzenden Nachkommen definiert (SCHÜLER et al. 2001).

Ab 1970 gibt es hier einen deutlichen Abwärtstrend, die Elterntiere werden ganz offenbar immer schneller ersetzt! Wenn das Zuchtintervall bei, sieben Jahren liegt (siehe Grafik), so liegt es gerade ein Jahr über dem Mindest-Intervall beim Pferd (6 Jahre) und deutlich unter einer Zeitspanne, in der eine Aussage über die Sporteignung der Protagonisten getroffen werden kann. Und Sport meint hier den Einsatz über die Jungpferdeprüfungen hinaus!!

Im Turniersport unterliegen die Daten einer sehr großen Variation und sie können erst in einem höheren Nachkommensalter erhoben werden, hinzu kommt dass viele Umwelteinflüsse mit hinein fließen. Das heißt auch, nicht jeder der zwangsläufig nicht selber im Sport aktiv war, ist eine „Gurke“.

Aber definitv jeder, der in der Lage war, über viele Jahre Leistungen zu erbringen, hat eben damit bewiesen, dass er leistungsbereit und leistungsfähig ist – dazu gehört auch die Gesundheit. Bestes Beispiel gibt hier für uns ein Hengst wie El Greco, dem Vater unseres Griechen.

Züchten bedeutet ja bekanntlich in Generationen denken und so stehen wir heute als Züchter in der komfortablen Situation, die vorangegangenen Generationen bewerten zu können. Hinzu kommen die zuvor genannten Erkenntnisse. Das www hält wenig verborgen, Zucht- und Sportdaten sind per Mausklick zu bekommen, man muss sich nur damit auseinander setzen.

Zunächst schauen wir auf unsere Stuten, deren Genetik und schauen uns die Generationsintervalle an… und atmen ganz tief durch!!! Froh, dass unsere Zuchttiere nicht jeden „Fortschritt“ der letzten vierzig Jahre verkörpern. Dass es vor uns Züchter gab, die nicht jedem Hype folgten und die den kürzesten Generations-Wechsel nicht gleichbedeutend mit dem größten Zuchtfortschritt setzten.

Um jetzt nich zu den ewig gestrigen zugeordnet zu werden: Wir sagen nicht, dass alle Entwicklungen der letzten Dekaden schlecht waren, wir sagen lediglich, dass man sie mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden auf den Prüfstein heben sollte und sich ein eigenes Urteil bilden muss. Wir können von dem Mut und dem Erfolg der Züchter der Vergangenheit profitieren und möglichst vermeiden, bekannte Fehler zu wiederholen.

Für das eigene Vorgehen haben wir für uns also einen eigenen kleinen „Richtlinienkatalog“ erarbeitet, an dem wir uns entlang hangeln:

1. Das was modern ist, ist nicht gleichsam auch gut! Kann sein, muss aber nicht. Ähnlich wie der alte Spruch beim Anziehen eines Gewindes „Nach ganz fest, kommt ganz ab!“

2. Wir haben aus den letzten 70 Jahren genügend Daten von den Pferden unserer Rasse – Dies ermöglicht eine Selektion aufgrund von Eigen-, Vorfahren- und Verwandtenleistung. Das geschieht zwingend vor jeder Zuchtentscheidung. „Siegerhengst“ ist hier im übrigen kein Prädkat für eine Qualifikation.

3. Ein gutes Sportpferd braucht einen gewissen Anteil Spezialblut (25 % ++)

4. Keine zu kurzen Generationsintervalle – zumindest nicht gehäuft aufeinanderfolgend!.

Hier mal exemplarisch die Geburtsjahre der Ahnen unserer Nachwuchsstuten

von  BELLE PELERINE  (geboren 2008)
Vaterlinie: V 1977 – VV 1967 – VVV 1956 – VVVV 1949 – VVVVV -1941
Mutterlinie: M 1996 – MM 1991 – MMM1975 – MMMM 1966 – MMMMM1958

MASURENFEE (geboren 2011) liest sich:
Vaterlinie: V 1996 – VV 1991 – VVV 1984 – VVVV 1969 – VVVVV -1963
Mutterlinie: M 1996 – MM 1976 – MMM1965 – MMMM 1961 – MMMMM1957

Und OKA-BÜMCHEN (geboren 2012) liest sich dann wie folgt:
Vaterlinie: V 2012 – VV 2005 – VVV 1988 – VVVV 1977 – VVVVV -1965
Mutterlinie: M 1992 – MM 1979 – MMM1972 – MMMM 1968 – MMMMM – 1957

Unsere Stuten haben die enorme Veränderungsphase der letzten Jahre doch ganz gut „übersprungen“. – Vermutlich können sie deshalb auch alle noch tatsächlich Springen 😉 einzige Ausnahme auf väterlicher Seite ist Fee und hier kann man ja einfach mal sagen, dass Bonaparte N AA mit internationalen Erfolgen aufwartet, so dass man anerkennen muss, dass es ganz offenbar gut gepasst hat. Wir nutzen ihn allerdings erst, als eben diese Erfolge vorlagen!

Und schaut man sich beispielsweise den nun von uns gewählten Davidas (geboren 2012) an, so sieht das ganze so aus:

Vaterlinie: V 1992 – VV 1989 – VVV 1978 – VVVV 1972 – VVVVV -1955
Mutterlinie: M 1994 – MM 1980 – MMM1971 – MMMM 1955 – MMMMM1940

Riesen Intervalle auf der Mutterseite, kürzere in der Vaterlinie, aber Davidas selber wurde erst 20 Jahre nach seinem Vater geboren, der zu dieser Zeit schon eine ordentliche Sammlung von internationalen Schleifen im Schränkchen hängen hatte. Auf ein solches Pedigree muss man dann einfach auch mal ein Stückweit vertrauen. Hinzu kommt, dass die Russen unseren Hype in den letzten dreißig Jahren nicht mit vollzogen. Da fangen sie aktuell gerade erst damit an…..

Natürlich sind all diese Überlegungen keine Garantie für das Super-duper-Wunderfohlen / – pferd. Aber sie können doch zumindest in die wichtigsten Richtungen ein Stückweit absichern: Gesundheit und Leistungsbereitschaft. Und das sind zwei Eigenschaften, die verkörpern eine eigene Qualität – und was für eine!!! Ebenso wie ein gutes Interieur und Gelassenheit  – Das sind echte Qualitäten. Und da darf man als Züchter auch mal ein bißchen stolz und selbstsicher an das Thema Vermarktung herangehen, auch wenn vielleicht der letzte „Tritt“ (im Trab) nicht da ist. Wer den Wert eines Pferdes an dieser einen Gangart festmachen will, der ist dann vielleicht auch nicht der richtige Gesprächspartner….

Irgendwann auf einer Party lernten wir eine Reiterin kennen (Pferdeleute finden ja doch irgendwie immer zusammen). „Ach Ihr züchtet?.. Ja, aber irgendwie züchtet ihr Züchter doch gar nicht mehr für uns Reiter! Sie müssen schwarz und groß sein und sich die Seele aus dem Leib trampeln, nur an uns Reiter denkt ihr nicht. Ich bin Ü30, habe einen Job, eine Tochter im Tenager-Alter und ich will einfach nur Freude mit meinem Pferd. Schön eine bisschen L-Dressur reiten, am Wochenende mal ins Gelände und meine Tochter soll auch damit klar kommen, ohne dass der Vierbeiner ihr ans Leben will. Die möchte im Übrigen auch mal ne Springstunde reiten. Aber so was findet man ja nicht…“

Wir haben sie eingeladen, unsere Pferde anzusehen, denn wir haben solche Pferde. Pferde, mit eben diesen gewünschten Qualitäten. Auch hier gilt: Qualität ist niemals unmodern! Aber was eben auch gelten muss: Qualität hat einen Preis. Wieso sollte dieser beschriebene Allrounder weniger wert sein, als der spektakuläre Bewegungskünstler? – Unserer Meinung nach, macht er doch seine Menschen genauso, wenn nicht noch glücklicher – oder? 😉

1 thoughts on “Adventstürchen 21 – 2014 / Was den Pferdezüchter so bewegt….”

  1. hallo simone,
    dies ist: best türchen ever.
    dieser adventskalender ist: best kalender ever,ever,ever
    danke schön
    vg
    horst

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