Türchen 4 – Alles schläft, einer wacht

Das vierte Türchen wurde nur mit dem Smartphone aufgenommen und der Leser mag die Bildqualität bitte verzeihen – hier soll es mehr um den Inhalt gehen, als um das photografische Highlight. Zu sehen sind Herr Stern und sein Kindergarten – Fee (eineinhalb Jahre alt), Turbo und Schmali (je ein halbes Jahr alt).

Wir haben uns überlegt mal etwas zu unserer „gemischten“ Herde zu schreiben, denn sicher ist die Haltung wie wir sie betreiben kein Standard, in der Regel werden Stuten mit Fohlen von anderen Jung- und Reitpferden getrennt gehalten. Hierfür gibt es gute Gründe: Wenn einer der Erwachsenen mal zu langt, so ist sicher die Gefahr für die Zwerge größer. Wenn Turnier und Zuchtpferde gemischt gehalten werden, so besteht immer die Gefahr, dass erstere stallfremde Keime mit nach Hause bringen und die Zuchtpferde mit Krankheiten infizieren.

Wir machen es anders, bei uns leben die unterschiedlichen Geschlechter von 0-20Jahren in einer gemischten Herde zusammen. Herr Stern mit seinem Jungvolk im Laufstall, der Rest nächtigt in ihren Boxen und stößt erst am Tag dazu. „Habt ihr denn keine Angst dass da was passiert?!“ lautet eine häufig gestellte Frage. – Nein, haben wir nicht und die Vorteile überwiegen unserer Meinung nach. Es muss natürlich dazu gesagt sein, dass keines der Pferde beschlagen ist, ein unsoziales Pferd niemals Platz in unserer Herde fände und selbstredend die Junghengste mit einem Jahr dann vom Rest getrennt werden. Auch interessant in diesem Zusammenhang zu wissen ist, dass das „Ausschlagen“, die am meisten gefürchteste agonistische Verhaltensweise, gerade die ist, die Pferde am wenigsten nutzen. In funktionierenden sozialen Herden reichen fast immer Platzverweis und Halsdrohung, um den anderen zu dominieren, im allergrößten Zweifel wird auch mal gejagt und gebissen.

Die Fohlen kommen bei uns in den Sommermonaten zur Welt und bleiben die ersten Tage mit ihrer Mutter alleine auf einem abgetrennten Stück Koppel neben den anderen, die jedes neue Herdenmitglied höchst neugierig beäugen.  Wenn die Mutter-Kind-Bindung steht, fällt der Zaun und Mutter darf gemeinsam mit ihrem Kind zu den anderen.

Das ist dann die Zeit, in der man Pferdesprache beobachten kann. KEINER der ehemaligen Zaungäste tritt ungefragt an den Neuling heran, die Vorstellung ist etwas, was aktiv von der Stute ausgeht. Sie ist es, die ihr Fohlen zum Rest führt und meist ist es Mattes, dem als erstes die Ehre zu Teil wird, den neuen Erdenbürger begrüßen zu dürfen. Und es ist auch Mattes, der darauf achtet, dass sich der Rest der Truppe ordentlich benimmt und achtsam und höflich bleibt. Schon am Zaun darf nur der gucken, der nett ist – unangemessenes Aufmanteln mit Show-Einlage wird sanktioniert, der Schauspieler der zweiten Reihe verwiesen – Revi musste das in 2011 erfahren, als er schier außer sich vor lauter Aufregung ums Fohlen war :-). All das geschieht ohne Streit und Zank – eine souveräne Hierarchie sorgt für friedliches Miteinander.

Und in diesem Frieden wachsen junge Pferde heran, die nicht nur ihre geduldigen Mütter kennenlernen, sondern auch erwachsene Pferde, die ihnen freundlich aber bestimmt ihre Grenzen aufzeigen. Mag der junge Hengst ungehemmt auf seiner Mutter herum turnen dürfen, so weist ihn doch seine ältere Schwester in die Schranken. Die Stuten sind entspannt ob der Tatsache, dass sie wissen, dass da auch noch andere sind, die sich um das Wohl und Wehe der kleinen Herde kümmern. Wann immer eine „gefährliche“ Situation auftritt, so kann man beobachten, wie alle erwachsenen Pferde einen schützenden Kreis um den Kindergarten bilden. Sozial verträgliche Pferde, die bereits Maßhalten und Respekt im Umgang mit ihren Artgenossen erlernt haben sind das Ergebnis dieser Haltungsform – eine nicht zu unterschätzende Tatsache, wenn diese Pferde irgendwann einmal in die Arbeit einsteigen müssen.

Auch in den natürlichen Herden werden die Junghengste i.Ü. erst verstoßen, wenn sie sich gegen den Patriarchen auflehnen. Sie schließen sich dann zu den sogenannten Junggesellengruppen zusammen, die teilweise ein Leben lang halten, wenn sie sich nicht bei der passenden Gelegenheit eine eigene kleine Familie ergaunern können, indem sie einem Althengst seine Herde abnehmen. Entsprechendes Sozialverhalten haben sie bereits erlernt, bevor sie von ihrer ersten Herde verstoßen wurden.